Rätsel um eine der ältesten Kuckucksuhren

Im Frühjahr konnte das Deutsche Uhrenmuseum eine der ältesten Kuckucksuhren erwerben. Auf dem Werk die Unterschrift: „Lorenz Hofmeyer Junij 1793 (oder: 1795?)“. Doch einen Uhrmacher dieses Namens gibt es nicht. Wer aber war Lorenz Hofmeyer? Folgen Sie uns bei der Spurensuche.

Ein Brief aus Norwegen

Ende 2020 erreichte uns ein Brief aus der Kleinstadt Hamar, gut hundert Kilometer nördlich von Oslo. Ihr Inhalt: Eine kleine Sensation. Denn die beigefügten Fotos zeigten eine ganz frühe Schwarzwälder Kuckucksuhr aus dem 18. Jahrhundert. Auf der Vorderseite: Ein wohl neueres Uhrenschild in der geschwungenen Form der Originale. Die Inschrift: E. Rommenstad – ein typisch norwegischer Name, vielleicht der eines früheren Besitzers.

Holzräder-Kuckucksuhr, Schwarzwald: “Lorenz Hofmeyer 1793”, Inv. 2021-016 (Zum Vergrößern klicken)

Kuckucksuhren mit Zahnrädern aus Holz gehören zu den absoluten Raritäten. Lediglich ein Dutzend konnte Wilhelm Schneider in seinem Handbuch „Frühe Kuckucksuhren“ auflisten. Wir waren deshalb sehr froh, dass wir diese Kuckucksuhr aus Norwegen kaufen konnten. Die Bezahlung übernahm der Verein zur Förderung des Deutschen Uhrenmuseums. Vielen Dank an dieser Stelle unserem Förderverein, der uns immer wieder großzügig beim Erwerb seltener Uhren unterstützt!

Eine verborgene Inschrift

Wir staunten nicht schlecht, als wir die Uhr genauer unter die Lupe nahmen. Auf der Innenseite der Rückwand, vor den Augen verborgen, entdeckte Restaurator Matthias Hüttlin die Inschrift: „Lorenz Hofmeyer Junij 1793“ (eventuell auch: 1795). Die Uhr ist damit eine von nur drei Holzräderkuckucksuhren, die überhaupt eine namentliche Signatur aufweisen. Dass sich zusätzlich ein Datum findet, ist einzigartig!

Kaum zu entziffern: “Lorentz Hofmeyer Junj 1793 [1795?]” (Zum Vergrößern klicken)
Leider ist bislang kein Lorenz Hofmeyer im Schwarzwald als Uhrmacher nachgewiesen. Wahrscheinlich war Hofmeyer auch gar nicht der Hersteller der Uhr. Denn normalerweise signierten die Uhrmacher ihre Werke auf der Außenseite der Rückwand oder aber auf der Rückseite des Uhrenschildes.

Wir vermuten stark, dass die Unterschrift von einem Händler angebracht wurde. Denn die Schwarzwalduhren wurden beim Transport zu den Einzelhändlern auseinandergenommen, um möglichst viele in den Frachtkisten unterbringen zu können. Erst im Bestimmungsland wurden die Uhren fertig montiert. Dabei haben einige wenige Händler ihren Namen auf die Innenseite der Rückwand geschrieben. Ganz selten findet sich zudem ein Datum, das die Ankunft der Uhren dokumentiert.

Allerdings könnte die Signatur auch zu einem späteren Zeitpunkt angebracht worden sein, zum Beispiel wenn die Uhr zur Reparatur gebracht wurde. Erfahrungsgemäß haben sich viele Reparateure mit Namen und Datum auf der Uhr verewigt.

Wer war Lorenz Hofmeyer?

In der Region zwischen Neustadt und Eisenbach gab es verschiedene Uhrmacher mit dem Familiennamen Hofmeyer. Möglicherweise konnte uns Richard Constable helfen, der sich intensiv mit der Uhrmacherei in dieser Region beschäftigt hat.

Unsere Anfrage bei Richard Constable war ein voller Erfolg. Er konnte das Rätsel um den Namen lösen – allerdings nicht ganz. Bei Lorenz Hofmeyer handelt es sich tatsächlich um einen Uhrenhändler oder – genauer gesagt – um zwei. Denn er kann für die Entstehungszeit der Uhr zwei Händler gleichen Namens nachweisen.

Der eine Lorenz (Domenicus) Hofmeyer wurde 1755 geboren. Er stammte vom Tannacherhof im Jostal nordwestlich von Neustadt und ist 1826 gestorben. Leider wissen wir über ihn sehr wenig, doch es ist sehr wahrscheinlich, dass er mit Uhren handelte. Schließlich entstammte er einer Familie, die in seiner Generation zahlreiche Händler hervorgebracht hat. Sieben seiner Cousins sowie sein jüngerer Bruder waren im Uhrenhandel tätig, meist in Birmingham, aber auch in Berlin oder Graudenz in Westpreußen.

Der andere Lorenz Hofmeyer, geboren 1764, stammt aus Spitzwald (heute: Eisenbach). Auch die Angaben zu ihm sind sehr spärlich. In den wenigen Schriftquellen wird er nicht explizit als Uhrenhändler bezeichnet. Allerdings war sein jüngerer Bruder Benedict ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, der 1808 in Leeds eine Partnerschaft mit zwei jüngeren Schwarzwäldern einging. Offenbar hatte er bereits vorher einen florierenden Uhrenhandel unterhalten. Richard Constable konnte keinen Sterbeeintrag finden, möglicherweise, weil er als Uhrenhändler in der Fremde gestorben ist, und zwar vor 1816. Denn in diesem Jahr starb seine Ehefrau Maria Magdalena, die in den Quellen als Witwe bezeichnet wird.

Wer hat die Uhr gebaut?

Lässt sich aus der Geschäftstätigkeit der beiden Lorenz Hofmeyers erschließen, von wem die Händler die Uhren bezogen haben? In beiden Fällen gibt es laut Richard Constable Hinweise auf Eisenbach:

Aufschlussreich ist eine erhalten gebliebene Rechnung von 1795 für eine Kiste voll Uhren von Michael Hofmeyer, einem Cousin von Lorenz (Domenicus) Hofmeyer. Die Rechnung nennt nur einen Lieferanten für Kuckucksuhren: Johannes Wildi in (Eisenbach-)Oberbränd. Und nun raten Sie einmal, wer an der Beerdigung der Witwe des anderen Lorenz Hofmeyer teilnahm? Ebenfalls Johannes Wildi.

Bei diesem Namen waren wir wie elektrisiert. Denn es gibt ja nur zwei weitere Holzräderkuckucksuhren, auf denen Namen von Schwarzwälder Uhrmachern zu finden sind: Joseph Ganter aus (Eisenbach-)Schollach und Johannes Wildi aus Eisenbach(-Oberbränd). Die Uhr von Johannes Wildi befindet sich heute ebenfalls im Deutschen Uhrenmuseum und gilt als die älteste Kuckucksuhr, die zweifelsfrei einem Uhrmacher im Schwarzwald zugeordnet werden kann. Was also lag näher, als die Hofmeyer-Uhr mit der von Wildi zu vergleichen?

Leider war die Gegenüberstellung eine Enttäuschung. Die Gemeinsamkeiten beider Uhren waren zu gering, als dass man beide der gleichen Werkstatt hätte zuordnen können. Denn zahlreiche Restaurierungen an der Wildi-Uhr, insbesondere im Bereich der Hemmung lassen einen Vergleich nicht zu.

Fazit

Mit der Neuerwerbung aus Norwegen konnten wir unser spärliches Wissen über das Aussehen der frühen Kuckucksuhren in einigen Punkten entscheidend erweitern. Erstmals ist eine Uhr aufgetaucht, mit der man den Handel mit Kuckucksuhren nach England im späten 18. Jahrhundert direkt nachweisen kann. Darüber hinaus ist sie ein wichtiger Beleg für die enge Verflechtung zwischen Uhrenproduktion und Uhrenhandel in der Region Neustadt-Eisenbach.

Kommentar verfassen