Vor einigen Wochen berichteten wir über die Erlebnisse des jungen Uhrmachers Berthold Schneider (1870-1957) in der Uhrenfabrik Mauthe. Gelernt hatte er die Uhrmacherei in einer der letzten Werkstätten für Holzuhren im Schwarzwald bei Matthäus Scherer (Bild links). Lesen Sie hier seinen Bericht über die Lehrzeit.
Eine der letzten Holzuhrenstätten
Der Uhrenbauer Matthäus Scherer lebte samt Familie in einem kleinen Schwarzwälder Gewerbshaus eine Viertelstunde Fußweg vom Schonacher Ortskern entfernt. Dort wurden noch in traditioneller Weise Uhrwerke aus Holz hergestellt.
Typischerweise gehörte zu einem solchen Gewerbshäusle ein Acker. Auch der Uhrmacherlehrling Berthold Schneider musste während seiner Lehrzeit Mitte der 1880er Jahre bei der Feldarbeit helfen, um die Ernährung der Familie sicherzustellen. Kein Problem für Berthold Schneider. Er hatte zuvor wie viele Schulkinder aus ärmeren Familien auf einem Bauernhof gegen Kost und Logis als Hütejunge gearbeitet:
„Mein Meister war von Schonach zugezogen, hatte ein Gütichen mit Hausle gekauft, eine halbe Stunde vom Dorf an der Landstraße nach Triberg. Es war ein gutes Anbau- und Grasfutterfeld dabei, so dass er etwa 2 Kühe halten konnte.
Das ermöglichte eine ziemlich billige Lebensweise. Sehr gerne half ich bei den Feldarbeiten im Frühjahr und im Heuet (Heuernte) mit. Das lag immer noch im Blut von der Hirtenbubenzeit her. Ich konnte auch das Mähen, das Dengeln und brachte es bald zu einer guten Fertigkeit.“
Harte (Arbeits-)Zeiten
Im Sommer war die Arbeitszeit also aufgeteilt in Werkstatt- und Feldarbeit. Im Winter, wenn der Anbau auf dem Feld ruhte, verlängerte sich der Arbeitstag in der Werkstatt. Heute muten uns die Anwesenheitszeiten enorm lang an. Doch muss man bedenken, dass die Arbeit von drei gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten am Vormittag, Mittag und Abend unterbrochen waren. Sie zählten für Schneider nicht als Pausen:
„Unsere Arbeitszeit war die übliche wie bei allen Schwarzwälder Uhrmachern. Sie ging von morgens 6 bis abends halb acht Uhr. Pausen gab es keine. Vom Essen ging man gleich wieder an die Arbeit. Nach halb acht Uhr wurde Abend gegessen.
Vom Michelstag (29. September) bis Josefstag (19. März) wurde bei Licht gearbeitet und in dieser ganzen Zeit auch noch nach Feierabend. Erst um 10 Uhr herum, und manchmal noch später, hörte man zu arbeiten auf und ging ins Bett. Da kam es vor, daß man 16 Stund arbeitete, abzüglich die Essenszeit. Der Meister natürlich arbeitete ebenso.
Die Arbeitszeit war ja recht lang, aber gemütlich. So eine Uhr ganz von vorne bauen war abwechslungsreich und schön. Manchmal konnte sich der Meister mit einem älteren Lehrjungen unterhalten und das Sprechen während der Arbeitszeit war kein Verbot. Die Meisterin, die Therese, las uns einmal während der Feierabendarbeit eine Geschichte aus einem Kalender vor.“
Die ersten eigenen Uhren
Voller Stolz berichtete er, wie er am Ende seiner Lehrzeit fähig war, Holzuhren eigenständig herzustellen:
„Im letzten Lehrjahr, wo ich noch bis Mitte Mai zu lernen hatte, habe ich eine kleine Anzahl Uhren ganz von vorne angefangen. Ich weiß noch gut, wie dieselben in der Neujahrsnacht fertiggemacht habe und bis Mitternacht dauerte. Aber dann die Freude und der Stolz ob meinem Werken, dass ich Uhren von A bis Z fertiggemacht hatte.“
Im Mai 1887 hatte Schneider seine Lehrzeit abgeschlossen. Nach 15 Monaten als Geselle packte ihn das Fernweh. Seine Wanderschaft begann am Bodensee. Was Schneider in der Bregenzer Filiale der Firma Mauthe erlebte, können Sie hier nachlesen.
Sie interessieren sich für die Lebenswelt der Schwarzwälder Uhrmacher im 19. Jahrhundert? Dann werfen Sie doch einen Blick auf Teil 1 und Teil 2 unseres gleichnamigen Artikels.
Ein Kommentar zu „Vom Ende der Schwarzwälder Holzuhrmacherei. Ein Augenzeuge berichtet“