Wo gab es Zwangsarbeit in Furtwangen?

Noch heute gibt es in Furtwangen Gebäude zu entdecken, die von der Zwangsarbeit vor über 80 Jahren erzählen. Ein neuer, digitaler Stadtrundgang führt zu diesen Orten und erinnert damit an dieses Verbrechen.

Am 28. April endet die Sonderausstellung “Wo die besten Jahre vergangen sind” über ukrainische Zwangsarbeiterinnen in Furtwangen. Doch auch in Zukunft wollen wir gegen das Vergessen arbeiten. Der kostenfreie Stadtrundgang “Zwangsarbeit in Furtwangen” bietet die Möglichkeit, mit dem Smartphone oder Tablet vor Ort Informationen zu den verschiedenen Aspekten abzurufen. Aber auch diejenigen, die nicht selbst in Furtwangen sind, können den Rundgang als Web-Version nutzen.

 

Geschichtsvermittlung außerhalb des Museums

Wir erzählen die Geschichte der Zwangsarbeit in Furtwangen nicht wie in vielen gedruckten Beiträgen von A bis Z, sondern gehen vom heutigen Stadtbild aus, von ganz konkreten Häusern und Straßen in Furtwangen. Manche Orte haben sich im Laufe der Jahrzehnte sehr stark verändert, andere sind noch so gut wiederzuerkennen, als wäre kaum etwas seitdem passiert.

Damit erkennbar wird, was sich verändert hat, bietet der Rundgang historische Ansichten zum Vergleich. Wer an der passenden Stelle steht, kann den heutigen Blick mit einer alten Aufnahme überblenden – so lässt sich feststellen, wo die Unterschiede liegen. Zusätzlich bieten wir kurze Informationen zu der Bedeutung des jeweiligen Orts für die Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg.

 

Wie entstand unser digitaler Stadtrundgang?

Wichtige Anregungen erhielten wir durch die Ausstellung zur Zwangsarbeit in Furtwangen (26. Januar bis 28. April 2024), der ukrainischen NGO after silence. Sie beleuchtet verschiedene Themenbereiche: Arbeit in der Industrie, Leben im Barackenlager oder Korrespondenz in die Heimat können mit bestimmten Orten in Furtwangen bis heute verknüpft werden. Weitere Aspekte ergaben sich aus unserer eigenen Recherche: Wo wurden die Zwangsarbeiterinnen untergebracht, bevor das Lager fertiggestellt war? Wo wurden sie medizinisch behandelt, wenn sie vom gewalttätigen Lageraufseher verprügelt worden waren? Welche Rolle spielte die Stadtverwaltung? Auf einer Karte von Furtwangen erstellten wir mit diesen und anderen Orten eine Route, wo der Rundgang überall entlangführen könnte.

Der Furtwanger Bahnhof, an dem die Zwangsarbeiterinnen ankamen, auf einer Photographie vom Anfang des 20. Jahrhunderts…
… und die heutige Situation: Die Bahnlinie ist seit den 1970er-Jahren demontiert, der Bahnhof verschwunden.

Die aufwendigste Arbeit war die Recherche historischer Bilder. Mit ihrer Hilfe werden die Veränderungen im Laufe der Zeit deutlich sichtbar. Auf der Suche nach passenden Ansichten half uns die Stadtchronik von Furtwangen, aber auch die Suche nach historischen Postkarten. Nicht für alle Orte konnten wir tatsächlich Fotos aus den 1940er Jahren finden, manchmal dienten auch ältere Abbildungen zum Vergleich. Doch so wird auch deutlich, dass manche Straßenecke sich seit über 100 Jahren kaum verändert hat und während des Zweiten Weltkrieges schon genauso ausgesehen haben musste.

Dafür sieht das ehemalige Gasthaus “Furtwanger Hof” heute noch fast genauso aus…

 

 

…wie vor über hundert Jahren, als diese Aufnahme entstand. In den 1940er Jahren dürfte es noch ähnlich ausgesehen haben, als im Gasthaus ukrainische Zwangsarbeiterinnen untergebracht waren.

Am Ende blieben neun Orte zur Zwangsarbeit in Furtwangen übrig, zu denen wir historische Bilder finden konnten. Der Fotograf Lukas Müller hat dann aktuelle Aufnahmen aus demselben Blickwinkel aufgenommen. Parallel dazu haben wir zu jeder Station kurze Informationstexte verfasst. Sie behandeln das Gebäude oder den Ort selbst und seine Bedeutung für die Zwangsarbeit.

Damit war unser Teil der Arbeit geschafft und wir konnten die Ergebnisse an den Anbieter der Software weitergeben. future history aus Freiburg hat unser gesammeltes Material dann zu einem vollständigen Stadtrundgang zusammengebaut.

Die Karte des fertigen Rundgangs in der Web-Ansicht.

Wir würden uns freuen, wenn Sie einmal bei einem Spaziergang durch Furtwangen das Programm ausprobieren und uns Ihre Anregungen schicken. Denn den Stadtrundgang können wir jederzeit erweitern oder verändern. Bleiben Sie gespannt!

Der Stadtrundgang enstand in Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg.

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