Selbst bei einfachsten Rechenaufgaben greifen wir heute zum Handy. Aber wie behalfen sich Zeitgenossen vor 100 Jahren, als es noch keine Mikroelektronik gab? Mit mechanischen Rechenmaschinen. Einige davon wurden im Schwarzwald von Uhrenbetrieben gefertigt. Lesen Sie heute über dieses weitgehend unbekannte Thema.
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Einleitung
„Am Anfang war die Uhr und später kamen die Rechenmaschinen.“ So könnte die Saga vom Schwarzwald beginnen. Denn tatsächlich war die Uhrenherstellung die Keimzelle für viele andere Industriezweige im Schwarzwald. Mechanische Uhren bestehen bekanntlich aus Zahnrädern, Hebeln und anderen feinmechanischen Teilen, die sich ebenfalls für andere Produkte eignen – darunter auch Rechenmaschinen. Deshalb verwundert es nicht, dass einige Zulieferbetriebe der Uhrenindustrie auch Teile an andere feinmechanische Betriebe lieferten, die daraus Laufwerke für Maschinen bauten. Einige wenige Uhrenfirmen im Schwarzwald fingen sogar selbst an, eigene Rechenmaschinen zu fertigen.
Koepfer: „Calculator“
Einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg brachte die Firma Jos. Koepfer & Söhne in Furtwangen die Rechenmaschine “Calculator” auf den Markt. Dieses Unternehmen hatte sich von einem kleinen Handwerksbetrieb für Uhrmacherwerkzeug und Einzelteile in wenigen Jahrzehnten zum führenden Produzenten von Räder-, Trieb-, Schnecken- und Zahnstangenschneidmaschinen entwickelt. Auch fertigte man dort für viele Kunden maßgeschneiderte Zahnräder für die unterschiedlichsten Anwendungen.
Koepfer hat sich die Marktführerschaft für Verzahnungsmaschinen bis heute bewahren können. Und immer noch werden hier hochwertige Zahnräder hergestellt. Zu den Referenzkunden zählen viele bedeutende Autohersteller. Neben den führenden deutschen Unternehmen wie Audi, Mercedes Benz, Opel, Porsche und VW werden Bauteile an Ferrari und Lamborghini geliefert.
Als Koepfer 1911 ins Rechenmaschinengeschäft einstige, war man sich offensichtlich nicht bewusst, welche Konsequenzen dieser Schritt haben würde. Zunächst sah alles recht gut aus. Die Maschine selbst war solide konstruiert. Im Innern verwendete Koepfer die erprobte Sprossenrad-Technologie, die ihren Namen von speziell geformten Zahnrädern hatte. Die “Calculator” ermöglichte ein zuverlässiges Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren. Einige patentierte Neuerungen verhinderten, dass die Maschine durch eine unsachgemäße Bedienung Schaden nahm. Mit einem Preis von 350.- Mark war die “Calculator” verhältnismäßig günstig.
Aber bereits ein Jahr später stellte man die Produktion wieder ein und verkaufte die Produktionsanlagen – wohl an andere Hersteller von Rechenmaschinen. Was war geschehen? In seinem Buch über die Geschichte der Rechenmaschinen von 1925 nennt der Autor Ernst Martin einige Gründe:
Martin erwähnt, dass Koepfer für seine Rechenmaschine nur wenig Werbung gemacht habe. Das Produkt blieb folglich wohl weitgehend unbekannt. Auch hatte man bei Koepfer nicht genügend bedacht, dass man die nötigen Fachleute und Arbeiter brauchte, um die Produktion ausweiten zu können. Das Stammpersonal konnte man dafür nicht verwenden, da das Geschäft mit den gut eingeführten Werkzeugmaschinen brummte. Ein weiteres gravierendes Problem könnte laut Martin darin bestanden haben, dass Koepfer mit dem neuen Produkt in Konkurrenz zu Kunden trat, die selbst Rechenmaschinen fertigten und dafür bei Koepfer Maschinen für Zahnräder gekauft hatten. Diese wären vielleicht durch die neue Konkurrenz verärgert worden, was sich dann auch auf das Kerngeschäft bei Koepfer auswirken könnte.
Durch die kurze Produktionszeit und Fehler bei der Markteinführung sind nur wenige dieser Rechenmaschinen gebaut wurden. Unser Exemplar stammt aus dem Firmenbesitz von Koepfer und wurde 1992 an die Rechnersammlung der Hochschule Furtwangen übergeben. Nach der diesjährigen Auflösung dieser Sammlung an historischen Rechengeräten und Computern konnte das Deutsche Uhrenmuseum nun dieses rare Stück übernehmen.
Josef Zähringer: „Addiator“
In Furtwangen wurde in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg noch eine zweite Rechenmaschine gebaut. Sie war keine eigentliche Neuentwicklung aus dem Schwarzwald, sondern ging vom Prinzip her auf ein recht einfaches Rechengerät namens „Adix“ zurück. Die Adix war 1903 von der Firma Pallweber & Bordt, später Adolf Bordt, in Mannheim hergestellt worden.
Die Adix war eine Tastenaddiermaschine. Sie war ein preiswertes Hilfsmittel für Inhaber kleinerer Geschäfte, die ihre Tageseinnahmen zusammenzählen wollten. Das Subtrahieren oder gar Multiplizieren oder Dividieren war mit der Adix – anders als mit der ungleich teureren Calculator von Koepfer – nicht möglich.
1949 erlebte die Adix unter den Namen Addiator bzw. Reports (für den französischen Markt) eine kurze Renaissance. Da die Maschine nur 123 Einzelteile enthielt, konnte sie im heutigen Furtwanger Ortsteil Schönenbach im Einmannbetrieb von Josef Zähringer hergestellt werden. Auch diese kleine Rechenmaschine hat das Deutsche Uhrenmuseum nun bei der Auflösung der Rechnersammlung der Hochschule Furtwangen übernommen.
Mathias Bäuerle: “Peerless” und “Badenia”
Außer in Furtwangen wurde noch an einem anderen Ort im Schwarzwald Rechenmaschinen hergestellt: in St. Georgen. Auch dort war es ein feinmechanischer Betrieb mit Ursprung in der Uhrenherstellung, der sich diesem neuen Geschäftsfeld zuwandte – wohl mit wesentlich größerem finanziellen Erfolg als bei Koepfer. Schon 1904 lancierte Mathias Bäuerle seine Rechenmaschine „Peerless“, was übersetzt soviel wie „unvergleichlich“ bedeutet.
Doch so einzigartig war die Maschine nicht. Die “Peerless” nutzte die schon seit langem bekannte Technik der Staffelwalzen für das Rechenwerk. Die Eingabe erfolgte über die Einstellschieber im Zentrum und konnte in der darunterliegenden Anzeige abgelesen werden. Die oberen drei Anzeigen zeigten unter anderem das Ergebnis der Rechenoperation an. Alle Einstellhebel wurden mit dem linken Hebel auf Null gestellt werden.
Neben der Peerless baute Bäuerle die Badenia, die anstelle der Einstellschieber ein Tastenfeld zur Eingabe aufweist, sich aber ansonsten der gleichen Mechanik für das Rechenwerk bedient.
Beide Maschinen befinden sich schon seit längerem in der Sammlung des Deutschen Uhrenmuseums.
Die Herstellung der Rechenmaschinen bei Bäuerle endete wohl spätestens in den 1930er Jahren. Aber wie schon Koepfer besteht auch Matthias Bäuerle bis heute – als Hersteller von Falz- und Kuvertiermaschinen.
Gelungener Beitrag zu den Rechenmaschinen, der mir einige wichtige Erkenntnisse auch zu meinem Rechenmaschinenbuch liefert, das ich gerade für eine zweite Auflage bearbeite.
Vielen Dank
Ihr Prof.Dr.h.c. Gerd Biegel,
Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte und Geschichtsvermittlung, TU Braunschweig
Lieber Herr Biegel,
ich habe mich sehr über Ihr Lob gefreut! Schließlich waren Sie ja mein Mentor in meiner Zeit am Braunschweigischen Landesmuseum 1995-1997. Herzliche Grüße von Johannes Graf