„ Großvaters Uhr“ – zählte sie die Lebenssekunden ab?

„Grandfather’s Clock“ ist ein weltbekanntes Lied, komponiert vor fast 150 Jahren. Fast ebenso lange wird dieser Begriff für Standuhren überhaupt verwendet. Wie kam es dazu? Und was hat es mit Grandmother Clocks  und Granddaughter Clocks auf sich? Unsere Spurensuche führte uns nach England, in eine uralte Poststation, wo die besungene Uhr angeblich noch steht.

“Look at these Grandfather Clocks!” freuten sich britische Besucher im Sommer 2022 bei der Führung in unserem Museum. Dabei zeigten sie auf die Standuhren, die im Englischen “Longcase Clocks” heißen. Als die Gäste mich detailliert über Grandmother clocks und Granddaughter clocks aufklärten, war meine Skepsis groß. Und meine Neugierde geweckt.

Wie kam Großvaters Name zur Uhr?
Schon kurze Recherchen zeigten: Die Bezeichnung “Grandfather’s Clock” geht zurück auf ein Lied von 1876, komponiert von Henry Clay Works (1832-1884), das längst ein US-Traditional geworden ist.
Die Notendrucke des Lieds waren im 19. Jahrhundert in den USA Bestseller, auch wurde es in viele Sprachen übertragen. Unter den heute noch bekannten Interpreten sind Johnny Cash, Bing Crosby, Mary Roos und etliche andere. Sie alle sorgten dafür, dass Standuhren im englischsprachigen Raum fortan als Grandfather Clocks weiterlebten.
So klingt die Melodie (Dank an Michael Kuhn SWR & Peter Kirschenbauer HFU):

“Grandfather’s Clock” erzählt die Geschichte einer riesigen Standuhr, die ihren Besitzer um die Hälfte überragte. Sie wurde am Tag seiner Geburt angeschafft und begleitete ihn über neunzig Jahre lang, without slumbering, also ohne jeden Aussetzer.

Ein Countdown der Lebensstunden?
his life seconds numbering, zählte die treue Standuhr offenbar die Sekunden seines Lebens ab. Dies wird erst in der Todesstunde des Großvaters klar: Die Uhr schlug heftig Alarm, um dann für immer stehen zu bleiben. Ein Avatar mit echtem Gänsehaut-Effekt.

Unsere Besucher hatten Recht: Die Uhrenfamilie hat längst Nachwuchs bekommen: Neben den mannshohen (180-250 cm) Großvater-Standuhren schufen findige Verkäufer in den 1920er Jahren auch Grandmother Clocks (152-180 cm) und später sogar Granddaughter Clocks (65-150 cm). Diese “Enkelinnen” fügten sich besser in die damaligen Wohnverhältnisse ein.

 

Fotoporträt von Henry Clay Works, Fotograf unbekannt
Henry Clay Works (1832-1884), Komponist, Texter und Gegner der Sklaverei. Dass er 1970 als einer der ersten in der Songwriters’ Hall of Fame aufgenommen wurde, zeugt von der ungebrochenen Popularität seiner Lieder.  https://archive.org/stream/songsofhenryclay00work#page/n5/mode/2up, Public Domain

Die Inspiration zur Story von Grandfather’s Clock erhielt Henry Clay Works, der im US-Bundesstaat Connecticut lebte, aus England, vermutlich über eine bunte Meldung zu Skurrilem aus der Alten Welt.

Gibt es die Uhr aus dem Lied wirklich? In North Yorkshire (GB), steht eine Uhr, die als das Vorbild der Uhr im Lied ausgestellt wird. Ihre dortige Geschichte liest sich ein wenig anders: The George in Piercebridge ist ein Hotel, das schon auf eine jahrhundertelange Tradition als Poststation an der schottischen Grenze zurückblickt. Zur Grundausstattung zählten daher eine mächtige präzise Standuhr im Eingangsbereich, geschaffen vor 1825, sowie eine Sonnenuhr. Sie garantierten, dass die Postkutschen pünktlich abfahren konnten. In den 1870er Jahren lief die Dielenuhr jedoch nicht mehr. Der Wirt, so die Erzählung des Hauses, erklärte dies auf seine Weise: Die Uhr sei für seine Vorgänger, die beiden Brüder Jenkins, angeschafft worden. Gekauft anlässlich der Geburt des Erstgeborenen, verweigerte sie seit der Todesminute des letzten Eigentümers angeblich jede Bewegung…
Nun, wer wagt es da noch, sich zu beschweren?

Das Hotel existiert noch: Nach langer Schließung  hat es 2023 wieder eröffnet. Aufnahmen von Gästen auf Tripadvisor zeigen die alte Uhr im Foyer,  mit der Plakette, die auf ihre musikalische Berühmtheit hinweist.

 

Wir hoffen, dass wir hier bald ein aktuelles Foto der Uhr zeigen können!

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Liedtext (Auszug) von 1876

My grandfather’s clock was too large for the shelf
So it stood ninety years on the floor
It was taller by half than the old man himself
Though it weighed not a pennyweight more

It was bought on the morn of the day that he was born
And was always his treasure and pride
But it stopped short, never to go again
When the old man died

Refrain:
Ninety years without slumbering – tick, tock, tick, tock
His life seconds numbering  – tick, tock, tick, tock
It stopped short, never to go again
When the old man died

It rang and alarmed in the dead of the night
An alarm that for years had been dumb
And we knew that his spirit was pluming for flight
That his hour for departure had come

 

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