„Seht her, wie spät es ist.“ Uhrenmännchen nicht nur aus dem Schwarzwald

Eine Spottfigur mit buschigen Augenbrauen, viel zu enger Jacke… und einer funktionierenden Uhr vor der Brust! Nicht nur eines, sondern ganze zwölf dieser seltenen Uhrenmännchen haben bei uns eine neue Heimat gefunden. Möchten Sie erfahren, welche Geschichte dahintersteckt?

Uhrenmännchen werben für den Schwarzwald

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erschienen sie in größerer Zahl und in zahlreichen Varianten: Uhrenmännchen, die je eine Lackschilduhr auf der Brust und dem Rücken tragen, in einer Hand einige Pendel. Sie sollten die fahrenden Händler für Schwarzwälder Uhren des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts bei der Arbeit zeigen.

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Erst als der Hausierhandel mit Uhren längst seinen Höhepunkt überschritten hatte, tauchten diese Figuren auf, um in Uhrengeschäften für die preiswerten Schwarzwalduhren zu werben. Bei einigen Stücken lässt sich anhand von Signaturen nachweisen, dass zumindest die Uhrwerke im Schwarzwald gebaut wurden. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie dann von der Hamburg-Amerikanischen Uhrenfabrik aus Schramberg explizit als „Schaufensterfiguren“ angeboten.

Bunte Vielfalt

Gleichzeitig zu den Uhrenträgerfiguren gab es noch ganz andere Motive. Die damalige Begeisterung für die Geschichte spiegelt ein Edelmann aus der Renaissance.

Zwei weitere Figuren, bei denen die Augen rollen und der Mund auf- und zuschnappt, sind typisch für den europäischen Blick auf den globalen Süden. Mit ihren prächtigen Gewändern scheinen sie den Abenteuerromanen des 19. Jahrhunderts entstiegen. Heute sehen wir diese ebenso fantasievolle wie klischeebehaftete Darstellung des Fremden kritisch, bedenkt man, dass Europa zeitgleich die Welt in Kolonien aufteilte.

Rare Vorläufer

Spottfigur mit Uhr, um 1800 (2021-038).

Uhrenmännchen gab es bereits lange, bevor sie ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Uhrenhandel zur Eigenwerbung eingesetzt wurden. Erste Kleinskulpturen mit eingebauter Uhr gab es bereits in der Barockzeit. Im Gegensatz zu den Metallfiguren aus dem Schwarzwald besteht der Korpus dieser Vorläufer meist aus Holz.

Die meisten frühen Uhrenmännchen enthalten ein kleines Spindeluhrwerk mit Vorderpendel. Sie sind von außen also am kurzen Pendel zu erkennen, das vor dem Zifferblatt hin- und herschwingt. Wo diese Vorläufer gebaut wurden, weiß man bislang nicht. Möglicherweise sind viele davon in Österreich entstanden. Denn die Donaumonarchie war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für Miniaturuhren mit Spindelhemmung und Vorderpendel bekannt.

Uhrenmännchen, 18. Jahrhundert (2021-035).

Zu den Stücken, die noch im 18. Jahrhundert gefertigt sind, zählt die Darstellung eines Heiligen oder Priesters in liturgischem Gewand, in den Händen zwei Kerzenhalter. Vielleicht wurde dieses Uhrenmännchen im religiösen Kontext verwendet – etwa in einer Kirche, einem Kloster oder auf einem Hausaltar.

Ebenfalls sehr früh ist ein anderes Uhrenmännchen entstanden, das sich durch Schnurrbart, Turban und ein langes Gewand als Bewohner des Orients ausweist. Die Vergoldung der Kopfbedeckung und der Schuhe sollen wohl signalisieren, dass dieser „Osmane“ wie Ali Baba geradezu sagenhaft reich gewesen sei. Offen ist, ob es sich bei der Haltung der linken Hand um eine Geste handelt oder ob die Figur früher etwas in der Hand gehalten hat.

Wenn es um Berühmtheiten aus dem frühen 19. Jahrhundert geht, darf Napoleon Bonaparte nicht fehlen. Die Form des Hutes und die Geste der rechten Hand sind typisch für den Feldherrn und späteren französischen Kaiser. Damit man die Uhrzeit gut ablesen kann, ruht die Hand nicht wie sonst üblich an der Brust oder dem Bauch, sondern pikanterweise am Hosenlatz. Unverfänglicher ist da ein Bauer in ländlicher Tracht, wohl 1830 bis 1850 entstanden.

Ein ganz herzliches Dankeschön

Mit den zwölf Uhrenmännchen konnte die Sammlung des Deutschen Uhrenmuseums bedeutend bereichert werden. Erst durch die Schenkung ist dieser für die Regionalgeschichte des Schwarzwalds so wichtige Uhrentyp angemessen in der Sammlung vertreten. Deshalb einen ganz herzlichen Dank dem großzügigen Schenker. Ohne solche Spenden wäre es für uns nicht möglich, empfindliche Lücken in der Sammlung zu schließen.

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