Wieso heißen Quarzuhren eigentlich so?

„Sind in Quarzuhren denn Quarze drin?“, werden wir gelegentlich von unseren Gästen gefragt. Ja, denn schon Ende der 1920er Jahre wurden Zuschnitte aus Bergkristallen zur Zeitmessung verwendet. Aber wieso ausgerechnet Quarz? Lesen Sie im Folgenden mehr über dieses eher unbekannte Thema der Uhrengeschichte.

Quarzschwingkreise – das Herz einer Quarzuhr

Das Herz einer Quarzuhr ist ein Schwingkreis. In dieser elektronischen Schaltung spielt ein Quarzkristall eine entscheidende Rolle. Wie ein Schwingkreis funktioniert, erklärt Tony Jones in seinem Buch über moderne Zeitmessung. Jones vergleicht den Schwingkreis mit einer Glocke: Wenn eine Glocke angeschlagen wird, so erklingt ein bestimmter Ton. Die Tonhöhe ist dabei abhängig von der Form und Größe der Glocke sowie dem Material, aus dem sie gemacht wurde.

Schwingquarz, sogenanntes “Tonfrequenznormal”, mit hörbarer Frequenz von 1000 Hz, aus der tragbaren Quarzuhr CVQ, PTE Rohde & Schwarz, München, 1941, Inv. 2014-086. In der Mitte der schmale, aus einem Kristall geschnittene Stab. (Zum Vergrößern klicken)

Quarz-Schwingkreise enthalten anstelle der Glocke einen Zuschnitt aus einem Quarzkristall, der beim Vibrieren einen Ton sehr hoher Frequenz erklingen lässt – normalerweise jenseits des menschlichen Hörvermögens. Die Frequenz wird wie bei der Glocke bestimmt von der Form und Größe des Quarzes. Anstelle des Klöppels tritt hier eine elektronische Schaltung. Sie sorgt dafür, dass der Quarz nicht aufhören wird zu klingen. Ein Schwingkreis besteht also aus einem Quarz und eine Elektronik, die ihn zum Schwingen bringt.

Wieso ausgerechnet Quarz?

Quarz verwendet man vor allem aus zwei Gründen:

Schwingquarz mit 60 kHz, wie er in der ersten deutschen Quarzuhr verwendet wurde, um 1930, H = 40 cm, Inv. 2005-100. (Zum Vergrößern klicken)

Zum einen hat Quarz eine besondere Eigenschaft: Das Mineral ist piezoelektrisch. Wird ein Stück Quarzkristall durch Druck verformt, so entsteht zwischen den Flächen eine elektrische Spannung.

Dieser Effekt funktioniert auch umgekehrt. Wenn man einen hochfrequenten, also sehr schnell die Richtung wechselnden Strom an den Quarz anlegt, wird er sich rhythmisch verformen. Der Quarz beginnt zu vibrieren. Der zum Schwingen gebrachte Quarz wird dann einen Wechselstrom gleicher Frequenz erzeugen.

Diese Eigenschaft ist für den Aufbau von Schwingkreisen entscheidend. Denn das Wechselstromsignal des vibrierenden Quarzes kann über eine elektronische Schaltung an den Quarz rückgekoppelt werden, so dass er fortfahren wird zu schwingen.

Der zweite Grund ist ein ökonomischer: Quarz ist einer der häufigsten Stoffe, den es auf der Erde gibt. Quarz ist also weltweit verfügbar und dabei recht preiswert.

Vom Kristall zum elektronischen Bauteil

In der Pionierzeit der Quarzuhren von den späten 1920er bis in die 1940er Jahre hinein verwendete man natürliche farblose Bergkristalle. Aus diesen Quarzen sägte man ganz unterschiedliche Zuschnitte heraus, mal eher dick, mal dünn,  lang und schmal oder aber quadratisch. Auch die Richtung, mit der die Platten oder Stäbe aus dem Kristall geschnitten waren, ob senkrecht, waagrecht oder in einem anderen definierten Winkel, hat einen großen Einfluss auf die Eigenfrequenz. Nicht zuletzt spielt es auch eine Rolle, an welcher Stelle sich die Elektroden, also die elektrischen Anschlüsse befanden.

Mit 16 cm Breite und über 3 cm Kantenlänge beeindruckend  groß: Quarzstab aus einer Labor-Quarzuhr, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig, um 1955, Inv. 2005-101.

Seit den 1950er Jahren verwendet man anstelle natürlicher Kristalle künstliche Quarze. Sie werden heute im industriellen Maßstab produziert. Denn Schwingquarze verwendet man nicht nur in Quarzuhren, sondern auch in zahlreichen anderen elektronischen Geräten wie Computern oder Handys.

Preisverfall dank Mikroelektronik

Ursprünglich waren Quarzuhren aufwändige Geräte für den Laborbetrieb, die sündhaft teuer waren. Mit der Mikroelektronik wurden Quarzuhren ab den 1970er Jahren für jedermann erschwinglich. Durch die Beschränkung auf wenige Standardteile und die weitgehend automatisierte Herstellung drangen die hochpräzisen Quarzuhren in den Alltag vor.

Leiterplatine des Uhrwerks CQ 2000, ganz rechts der Schwingquarz mit exotischen 16 kHz, Staiger, St. Georgen, 1971, Inv. 50-4045. (Zum Vergrößern klicken)

Den Preisrutsch eingeleitet hatte eine Entwicklung aus dem Schwarzwald: 1971 brachte die Firma Gebr. Staiger in St. Georgen das Wand- und Tischuhrwerk CQ 2000 auf den Markt. Staiger lieferte es für den damals „sensationell günstigen“ Preis von 100.- DM an den Großhandel. Ein Jahrzehnt später kostete ein Quarzuhrwerk nur noch 5.- DM, um 1990 gerade einmal 1,70 DM. Mit wenigen Jahren Verspätung setzte der Preisverfall auch bei Armbanduhren ein.

Auch die Quarze selbst waren ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre zu einem genormten Massenartikel für wenige Pfennige geworden. Verwendet wurden nun photolithographisch hergestellte Quarze in Stimmgabelform mit einer Standardfrequenz von 32.768 Hz (im Folgenden vereinfachend als 32 MHz bezeichnet). Diese Frequenz hatte man gewählt, weil sie ökonomisch sinnvoll in 15 Teilerstufen auf einen Impuls pro Sekunde reduziert werden konnte, der die wahlweise analoge oder digitale Zeitanzeige antrieb.

Noch höhere Frequenzen sind nicht sinnvoll

Bevor sich die 32 kHz durchsetzten, hatte man auch Uhren mit 4,2 MHz-Quarzen gebaut. Sie ermöglichten eine noch deutlich höhere Genauigkeit. Diese Quarze sehr hoher Frequenz hatte man zuvor bereits standardmäßig in Farbfernsehern verwendet. Dank massenhafter Herstellung für die Unterhaltungselektronik waren diese Quarze ebenfalls recht günstig.

Uhrwerk mit 4,2 MHz-Schwinger, Staiger, um 1975, Inv. 2006-136. Im Silbergehäuse der Quarz. (Zum Vergrößern klicken)

Doch der Zugewinn an Genauigkeit spielte im Alltag kaum eine Rolle. Dagegen wirkte sich der höhere Aufwand an Elektronik negativ auf den Preis und die Lebensdauer der Batterie aus. Deshalb verschwanden Uhren mit MHz-Quarzen schon Ende der 1970er Jahre wieder vom Markt.

Zum Weiterlesen:

Die Kristalluhr. Unser Blogbeitrag über die tragbare Seiko-Quarzuhr “Crystal Chronometer”.

50 Jahre Quarzarmbanduhr – 50 Jahre Seiko Astron. Unser Blogbeitrag zum Jubiläum.

Tony Jones: Splitting the Second. The Story of Atomic Time, Bristol / Philadelphia 2000; zur Quarzuhr S. 32f.

Lucien Trueb, Günther Ramm, Peter Wenzig: Die Elektrifizierung der Armbanduhr, Ulm 2011; darin vor allem die Kapitel „Vom Frequenzstandard zur Quarz-Großuhr“ und „Acht Wege zur Quarzarmbanduhr“, S. 59-123.

Ein Kommentar zu „Wieso heißen Quarzuhren eigentlich so?

  1. Zu den zeitweise in Quarzuhren eingesetzten 4,2 MHz Quarzen schreiben Sie: “Diese Quarze sehr hoher Frequenz hatte man zuvor bereits standardmäßig in Farbfernsehern verwendet. Dank massenhafter Herstellung für die Unterhaltungselektronik waren diese Quarze ebenfalls recht günstig”

    Richtig ist, dass man durch die TV Quarze Erfahrung mit der preiswerten Produktion von Quarzen um die 4 MHz hatte. Nicht richtig ist, dass man genau diese billigen TV Quarze für Quarzuhren einsetzten konnte.

    Für die Quarzuhren war die Vorgabe, dass die Quarzfrequenz eine 2er Potenz ist um sie einfach auf Sekundenschritte zu teilen, deshalb 4194304 Hz = 2 ^ 22 Hz.

    Für den Farbträger des PAL TV war die Vorgabe, Bild und Ton möglichst wenig zu stören, weshalb ein Vielfaches der Zeilenfrequenz von 15625 Hz sowie weitere Korrekturmaßnahmen zu 4433618,75 Hz führten.

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