Wer sich als Deutscher im Nachbarland unbeliebt machen möchte, muss nur eine Kuckucksuhr als Gastgeschenk mitbringen. Denn das typische Souvenir aus dem Schwarzwald gilt vielen als Inbegriff schlechten Geschmacks. Wie gelangte diese Kuckucksuhr ausgerechnet nach Frankreich?
Post aus dem Elsass
2019 erhielt das Museum eine E-Mail aus Frankreich, in der uns eine klassische Kuckucksuhr als Geschenk angeboten wurde. Ein wahrlich prächtiges Exemplar mit 90 Zentimeter Höhe und 53 cm Breite! Zur Uhr mit den typischen Motiven aus der Tier- und Pflanzenwelt des Schwarzwaldes gehören zwei geschnitzte Jagdtrophäen, die links und rechts neben der Uhr platziert werden können.
Eigentlich besitzt das Deutsche Uhrenmuseum bereits ähnliche Stücke, die teils sogar noch größer sind. Nur wenige davon können überhaupt ausgestellt werden. Wieso aber haben wir uns entschieden, diese Uhr dennoch in unsere Sammlung aufzunehmen?
Bei den meisten Stücken wissen wir nicht, wer sie ursprünglich besessen hat. Mit der Kuckucksuhr aus Frankreich ist das anders. Sie ist eng mit der Geschichte einer Emigration aus Deutschland verbunden.
Vor der Auswanderung kam die Einwanderung
Zuwanderung hat es in Deutschland immer schon gegeben. So berichtete der Schenker der Uhr vom Migrationshintergrund seiner Großeltern mütterlicherseits, die im badischen Kleinstädtchen Lahr lebten. Der Großvater war das in Deutschland geborene Kind italienischer Eltern; die Großmutter kam wahrscheinlich aus Dänemark. Leider kann sich der Enkel nicht genauer an die Herkunft seiner Großeltern erinnern.
1937 wurde seine Mutter in Lahr geboren. Mit zwanzig Jahren lernte sie ihren späteren Mann kennen und lieben. Auch er war kein Deutscher, sondern Soldat der französischen Armee.
Diese Verbindungen zwischen französischen Soldaten und deutschen Frauen waren in der Nachkriegszeit an der Tagesordnung. Denn in vielen Städten gab es Kasernen mit Soldaten der alliierten Streitkräfte. In Lahr, das von Kriegsende bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949 zur französischen Besatzungszone gehört hatte, waren Soldaten aus Frankreich stationiert. Später befand sich in Lahr das Hauptquartier der kanadischen NATO-Streitkräfte in Europa. Erst mit der Wiedervereinigung wurden die Soldaten abgezogen und die meisten Standorte aufgelöst.
Umzug nach Frankreich
1959 fand die Heirat statt. Sechs Jahre später zog die junge Familie in die Bucht von Arcachon in Südwestfrankreich um. Von da an wuchsen die Kinder wie selbstverständlich in der Kultur des Vater-Landes auf. Da niemand mit den Kindern deutsch gesprochen hat, lernte z. B. der jüngere Sohn die Mutter-Sprache nicht. Aber eine Erinnerung aus Deutschland begleitete die Familie auf ihrem gesamten weiteren Lebensweg durch Frankreich – die Kuckucksuhr.
Nach einer Zwischenstation in Cognac wurden die Familie schließlich in Haguenau im nördlichen Elsass sesshaft. Bis zum Tod der Eltern hing die Kuckucksuhr im Wohnzimmer und erinnerte so an das Land, aus dem die Mutter stammte.
Nachdem der elterliche Haushalt aufgelöst war, brachte der Sohn die Uhr in das Ursprungsland zurück, wo sie nun die Geschichte einer deutsch-französischen Familie erzählt.