Wie tickt die Liebe?

Wie “tickt” die Liebe gerade? Diese schwierige Frage beantwortet eine historische Postkarte aus dem Land des „Je t’aime“ mit einem Augenzwinkern. Eine altmodische Damentaschenuhr dient dabei als Liebesbarometer. Die Stellung der Zeiger offenbart, was immer schon Thema Nummer eins war: Gefühle und Begehren.

Die Uhrzeiten und ihre Bedeutung

Wenn auf der Postkarte (siehe unten) die Auserwählte mit dem Seidenarmband ihre kleine Taschenuhr auf 9:45 Uhr stellt, sehnt sie sich nach gemeinsamem Glück. Von Stunde zu Stunde ändert sich nun die Stimmung.

10:50 Uhr: Die Erwartung wird langsam unerträglich, die Bereitschäft wächst.

12:00 Uhr: “heure du crime”, also “Tatzeit”. Es ist die „Stunde um zu küssen“ samt „Liebe, Entzücken und Höhepunkt“.

1:10 Uhr: Was für eine wohlige Ermattung!

“Langage des Heures quand on aime” = Sprache der Stunden, wenn man liebt.

2:12 Uhr: „Freude, Glückseligkeit und Befriedigung“.

3:15 Uhr: Wie schön, einfach nur fröhlich zu sein und zu lächeln bei zärtlicher Liebkosung.

4:23 Uhr: Ich behalte es in angenehmer Erinnerung. Wir werden das wiederholen.

6:30 Uhr: Die Begegnung kann aber auch gründlich schiefgehen: Liebeskummer. Unmöglich, Dich noch länger zu lieben.

Andere Sprachen der Liebe

Verschlüsselte Liebesbotschaften wie diese haben eine lange Tradition. Besonders im 19. Jahrhundert standen viele junge Liebende unter dauernder Beobachtung. Ihrer gegenseitigen Zuneigung konnten sie sich nur heimlich versichern. Gut, dass es dafür neben der Sprache zahlreiche andere Zeichensysteme gab.

So konnte die beliebte „Blumensprache“ mit einem Strauß vom Floristen recht subtile Botschaften übermitteln. Auch die Anordnung von Briefmarken auf dem Umschlag konnte ansonsten unverdächtige Schreiben mit Liebesschwüren aufpeppen – vorausgesetzt, der Adressat oder die Adressatin verstanden die gleiche Zeichensprache.

“Was ich nicht wage, Dir zu schreiben, sollen Dir die Marken zeigen”. Postkarte, um 1960

Das Zifferblatt einer Uhr ist deutlich weniger geeignet, um über Gefühle Auskunft zu geben. Denn Zeiger haben gegenüber Briefmarken einen entscheidenden Nachteil: Sie sind nicht auf einem Umschlag festgeklebt, sondern bewegen sich kontinuierlich mit den verfließenden Stunden. Das mag ganz nett sein, solange man sich mit der oder dem Liebsten morgens oder mittags trifft. Dann sind Tag und Liebe noch jung. Doch je schöner das Stelldichein: Die Zeit vergeht wie im Flug. Dann kommt der Abend unerbittlich näher – und laut Postkarte auch das Ende der Begeisterung. Wenn die Zeiger auf 6:30 Uhr stehen,  ist angeblich Katzenjammer angesagt.

Sicherlich, auch in dieser tristen Stunde könnten unverbesserliche Optimisten die Hoffnung bewahren, dass am nächsten Morgen das Begehren erneut erwachen wird. Aber wieso überhaupt Trübsal blasen? Wäre es nicht besser, beim Rendezvous die Zeit gar nicht erst verstreichen zu lassen? Am besten hielte man die Zeiger wohl  um 4:30 Uhr an, wenn es heißt: “On remettra ça” – ” Lass uns das wiederholen.”

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