Die Kienzle-Weltzeituhr zum 50. Geburtstag von Adolf Hitler 1939

Seit den 1950er Jahren diente die elegante Weltzeituhr Kienzle als Aushängeschild der Kollektion. Ursprünglich geht der Entwurf auf das Jahr 1939 zurück: Sie war das offizielle Staatsgeschenk von Württemberg und Hohenzollern zu Adolf Hitlers 50. Geburtstag. Dieses besondere Stück konnte das Deutsche Uhrenmuseum nun erwerben. Anlass genug, die Geschichte dieser Weltzeituhr nachzuzeichnen.

Die „Führergeburtstage“

Von 1933 bis 1945 gehörten sie zum jährlichen Festkreis der nationalsozialistischen Diktatur: Die Veranstaltungen zum Geburtstag von Adolf Hitler am 20. April. Durch die zahlreichen Geschenke aus ganz Deutschland sollte eines deutlich werden: Wie sehr Hitler angeblich von „seinem Volk“ geliebt wurde.

Die Suche nach Geschenkideen führte bei politischen Repräsentanten häufig zu teuren, aber geschmacklich fragwürdigen Lösungen. Viele orientierten sich wohl am Leitspruch, dass nur die schiere Größe zählt. Überdimensionale Wandteppiche, Schlachtengemälde oder Porträtbüsten von Feldherren füllten problemlos einen der riesigen Säle in der protzigen Berliner Reichskanzlei. 1939 kam sogar ein fahrbereiter „KdF-Wagen“ hinzu, der spätere VW Käfer.

Quelle: Reichsinnungsverband des Uhrmacherhandwerks (Hg.): 1. Großdeutscher Uhrmachertag. 23. – 25. Juli 1939 in Wien, Halle (1939), o. S.

 

Die Weltzeituhr

Neben den monumentalen Präsenten muss die flache, gerade einmal knapp 30 cm hohe und 26 cm breite Weltzeituhr fast zwergenhaft erschienen sein. Doch die alltagstaugliche Größe darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Entwurf von Kienzle-Designer Heinrich Möller mit Bedeutung aufgeladen war.

Entwurfszeichnung für das Gehäuse, Heinrich Möller, 3. April 1939

Stilistisch knüpft das Gehäuse an den staatstragenden Neoklassizismus an. Das Zifferblatt mit der Weltkarte und kreissegmentförmiger Weltzeitanzeige ruht auf einem wuchtigen Sockel. Vergleichbare rechteckige Säulen finden sich auch bei damaligen Repräsentationsbauten. Schließlich sollte sich die Welt im doppelten Sinn des Wortes auf das “solide” Fundament der nationalsozialistischen Weltanschauung verlassen können. Eine Girlande aus Hakenkreuzen auf der Schmalseite bildet dafür den „passenden Rahmen“.

Selbst das Zifferblatt ist von nationalsozialistischem Gedankengut getränkt. In der Mitte der Erdkarte steht Berlin und nicht London – bei einer Uhr mit Weltzeitanzeige durchaus bemerkenswert. Denn schließlich orientiert sich unser Zonenzeitsystem am Nullmeridian der Sternwarte von Greenwich. Ein möglicher Grund: Berlin bildet das Zentrum der Welt, weil das Regime nach eigenem Bekunden die Weltherrschaft anstrebte. Unterstrichen wird dieser wahnwitzige Machtanspruch durch die beiden Zeiger. Sie erinnern nicht zufällig in Form und Ausrichtung an die Schenkel eines Zirkels, dem Instrument des weltverändernden Ingenieurs, als der Hitler damals gerne gesehen wurde.

Hakenkreuze auf dem Rand, Berlin im Zentrum der Welt(karte) – deutliche Hinweise auf den Nationalsozialismus (Inv. 2020-025)

Wie perfekt die Gestaltung die offizielle Ideologie widerspiegelt, zeigt eine hymnische Besprechung der Uhr in der Design-Zeitschrift „Innendekoration“: „Das Gebilde wird als Ganzes zu einem Symbol desjenigen Geistes, der durch diesen Mann im deutschen Leben herrschend geworden ist: eines Geistes der klardurchdachten, straff rationalen Ordnung und zugleich des praktischen, tathaften Wollens.” (Bd. 50, 1939, S. 210.)

Was passierte später mit der Uhr?

Schnell wurde es ruhig um die Uhr. Ob Hitler sie selbst genutzt hat oder wann und wie sie in andere Hände gelangt ist, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Erst im April 2020 tauchte sie auf der Online-Plattform Ebay auf.

Leider wies die Uhr nicht mehr das ursprüngliche „Innenleben“ auf. Möglicherweise war das originale Uhrwerk defekt. Beim Einbau eines neuen wären dann auch Zifferblatt und Zeiger getauscht worden. Vielleicht handelt es sich aber gar nicht um das eigentliche Geschenk, sondern z. B. um ein identisches Belegstück des Gehäuses, das Kienzle in die firmeneigene Mustersammlung eingefügt hat. Einen Hinweis darauf, dass es mehrere Exemplare gegeben haben könnte, kann man in einem Foto des bekannten Industriefotografen Adolf Lazi sehen, der in den 1930er Jahren für Kienzle gearbeitet hat. Diese urheberrechtlich geschützte Aufnahme zeigt die Uhr in zwei Exemplaren, einmal von vorne, einmal von hinten.

Das zweite Leben der Weltzeituhr

1955 verschenkte Kienzle die Weltzeituhr ein zweites Mal – nun als politisch unverfängliches Einzelstück. Willy Haller, der technische Direktor der Kienzle-Uhrenfabriken, erhielt sie zu seinem 65. Geburtstag. An die Stelle des wuchtigen Neoklassizismus waren die organisch geschwungenen Formen der „Nierentisch-Ära“ getreten. Selbstverständlich waren auch die Hakenkreuze am Außenrand verschwunden. Am Grundprinzip der Uhr hingegen hatte sich nichts geändert. Geblieben war die segmentförmige Weltzeitanzeige unter der Darstellung der Erdteile mit Berlin im Zentrum.

Im gleichen Jahr wurde die Uhr als Flaggschiff in das Sortiment aufgenommen. Das Gehäuse des Serienmodells wirkt deutlich schlichter als die Vorgängermodelle. In den nächsten vierzig Jahren brachte Kienzle die Weltzeituhr in dutzenden, immer wieder veränderten Varianten auf den Markt.

1986 hatte Kurt H. Traeg das Traditionsstück in die digitale Ära katapultiert. Der Nachfolger von Heinrich Möller als Designer hatte der Uhr ein digitales Display verpasst. Leuchtdioden zeigten nun an, wie spät es in den entsprechenden Zeitzonen war. Doch diese moderne Version verkaufte sich wohl nicht gut, so dass man bald zu der klassischen Form mit drehbarer Segmentanzeige für die Weltzeit zurückkehrte.

1995 schließlich zierte die Weltzeituhr noch einmal das Titelbild der Kollektion. Doch auch das Flaggschiff konnte nicht verhindern, dass die einst bedeutende Uhrenfabrik ein Jahr später in Konkurs ging.

 

Zum Weiterlesen:

Zahlreiche weitere Varianten der Weltzeituhr: https://www.alte-spieluhren.de/kienzle_weltzeituhr.htm

3 Kommentare zu „Die Kienzle-Weltzeituhr zum 50. Geburtstag von Adolf Hitler 1939

  1. Besten Danke für den interessanten Artikel. Ich habe mir das Foto von Adolf Lazi genau angesehen. Diese Aufnahme zeigt nur eine Spiegelung einer Uhr, nicht zwei wie im Artikel beschrieben. Vielleicht gab es somit doch nur eine…

    1. Vielen Dank für den wichtigen Hinweis, dass die Aufnahme von Adolf Lazi mit einem Spiegel aufgenommen wurde. Sie zeigt wirklich nur eine einzige Uhr. Allerdings kann es immer noch sein, dass es mehrere Exemplare des Geburtstagsgeschenkes an Adolf Hitler gab.

      1. Mit großer Freude sende ich herzliche Grüße als Urenkel von Heinrich Möller ; ). Ich habe mich mit der Geschichte der Firma Kienzle und insbesondere mit Heinrich Möller auseinandergesetzt. Es würde mich außerordentlich freuen, eine Sonderausstellung zu diesem faszinierenden Thema zu initiieren. Falls Interesse besteht können sie mich gerne per Mail kontaktieren. Beste Grüße!

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