Vor 15 Jahren: Einbruch im Deutschen Uhrenmuseum!

Museen werden leider immer wieder Opfer von Einbrüchen. Besonders spektakulär das Verschwinden einer 100 kg schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum 2017 und der Diebstahl im Grünen Gewölbe in Dresden 2019. Vor genau 15 Jahren wurde das Deutsche Uhrenmuseum Opfer eines ähnlichen Verbrechens.

Der Tathergang

Am frühen Morgen des 31. August 2006 klingelte bei der örtlichen Polizeiwache das Telefon. Einbruchalarm im Deutschen Uhrenmuseum! Als die Streife eintraf, waren die Täter bereits über alle Berge: Der Diebstahl hatte nur wenige Minuten gedauert. Gezielt waren zwei Tischvitrinen mit Taschenuhren aus der Zeit von 1880 bis 1920 ausgeräumt worden. Insgesamt 37 Uhren, ein leeres Goldgehäuse und vier Uhrenketten waren verschwunden.

Die Einbrecher waren über ein Fenster an der Rückseite des Gebäudes eingestiegen, keine zehn Meter von den Vitrinen entfernt. Dann zertrümmerten sie brutal die beiden Glashauben und rafften die Taschenuhren zusammen. Schnell waren die Diebe auf dem gleichen Weg wieder draußen.

Welche Uhren waren gestohlen worden?

Der Schaden an Gebäude und Einrichtung hielt sich in Grenzen. Der Verlust der Uhren hingegen war ein echter Schock. Den finanziellen Wert schätzte der damalige Museumsleiter Eduard Saluz auf etwa 200.000 Euro – vom ideellen Verlust ganz zu schweigen.

Als erstes hat das Museum eine Liste der verschwundenen Uhren erstellt – was nicht sonderlich schwierig war. Denn alle Sammlungsgegenstände sind in einer Datenbank erfasst. Bei dieser Inventarisierung werden die Uhren detailliert beschrieben und hochwertige Fotos von den Außenseiten und möglichst von der Innenseite hinzugefügt. Besonders wichtig: Vorhandene Seriennummern und andere Signaturen werden sorgfältig notiert. So ist die Uhr gegenüber gleichartigen Stücken eindeutig identifizierbar.

Gestohlene goldene Taschenuhr “Gondolo” Nr. 177273 in Originaletui, Patek Philippe, Genf, um 1915, Inv. 2004-068.

Viele gestohlene Stücke trugen klingende Namen. Neben drei Taschenuhren des legendären Genfer Herstellers Patek Philippe waren noch weitere von anderen namhaften Schweizer Herstellern wie A. Huguenin & Sons oder IWC sowie eine wertvolle Uhr mit Musikwerk von Charles Reuge abhandengekommen.

Schmerzhaft für das Museum war auch der Verlust von Taschenuhren aus dem deutschen Zentrum des Präzisionsuhrenbaus, dem sächsischen Glashütte. Allein drei Uhren der bekannten Uhrenmarke A. Lange & Söhne waren gestohlen worden. Besonders schwer wiederzubeschaffen sind andere Taschenuhren kleinerer Glashütter Betriebe wie Julius Assmann oder Richard Glaeser.

Entwendete goldene Taschenuhr Nr. 34587, A. Lange & Söhne, Glashütte, um 1896, Inv. K-1506

Den Überblick über hochwertige Taschenuhren aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert rundeten Goldtaschenuhren aus Skandinavien (Jules Jürgensen sowie eine Uhr mit Sternzeitangabe von Olsen/Knudsen) und den Vereinigten Staaten (American Watch Co., ‚Elgin, Howard, Waltham) ab.

Das Spitzenstück: Gestohlene Silbertaschenuhr mit Tourbillon, Gustav Jordan, Nordhausen, um 1890, Inv. K-0538

Das wohl wichtigste und wertvollste Stück in der Vitrine war eine Taschenuhr von Gustav Jordan aus Nordhausen. Das repräsentative Einzelstück war mit einem von vorne sichtbaren Tourbillon ausgestattet. Diese besondere Konstruktion gilt als das Anspruchsvollste, was die Taschenuhrmacherei zu bieten hat. Damit zeigt diese Taschenuhr, auf welch hohem Stand sich die Präzisionsuhrmacherei während des Deutschen Kaiserreichs befand. Geschichtlich interessant waren auch die beiden Emailpoträts auf dem Gehäuse von Kaiser Wilhelm I. und seinem Nachfolger Kaiser Friedrich III.

Ein Täter wird gefasst – sieben Objekte kehren ins Museum zurück

Um die gestohlenen Objekte wieder zu erlangen, ließ das Deutsche Uhrenmuseum ein Faltblatt erstellen, dass der bekannten Sammlerzeitschrift „Klassik Uhren“ beigelegt wurde. Außerdem wurde eine Belohnung von 2000 Euro ausgesetzt. Die Daten und Fotos der Uhren wurden auch an Interpol, das Art-Loss-Register und bekannte Auktionshäuser weitergereicht.

Zwei Jahre nach dem Einbruch entdeckte ein aufmerksamer Sammler im Internet eine der gestohlenen Taschenuhren. Im Hause des Händlers konnte die Polizei weitere Stücke aus dem Diebstahl sicherstellen. Später tauchte noch eine Stoppuhr auf einem Flohmarkt in Ungarn auf. Insgesamt 7 Uhren kamen bis heute an das Museum zurück.

Auch einer der beiden Täter konnte gefasst werden. Er hatte sich beim Einbruch an einer Glasscherbe verletzt. Über die Blutspur konnten die Behörden den mehrfach vorbestraften Täter überführen. Doch bei der Verhandlung schwieg er beharrlich über seine Auftraggeber und den Mittäter. Das Gericht verurteilte ihn deshalb im Mai 2008 zu 57 Monaten Haft. In der Urteilsbegründung hat der Richter zudem hervorgehoben, dass ein Diebstahl historisch bedeutender Stücke besonders schwer wiegt. Die Botschaft war klar: Der Einbruch in ein öffentliches Museum lohnt sich nicht.

 

Und heute?

Ob das Deutsche Uhrenmuseum noch einmal Opfer eines solchen Verbrechens werden könnte? Das ist schwer einzuschätzen. Auf jeden Fall wurden nach dem Einbruch die Sicherheitsmaßnahmen deutlich erhöht. Diebe müssten sich heute wesentlich länger im Museum aufhalten, bevor sie an ihre Beute kommen. Folglich ist die Gefahr, erwischt zu werden, ungleich höher als vor 15 Jahren.

Eine der wiedergefundenen Stücke: Goldtaschenuhr Nr. 19106, Julius Assmann, Glashütte, um 1910, Inv. 1995-014

Und eine weitere Frage bewegt uns: Werden noch weitere vermisste Taschenuhren auftauchen? Wohl kaum. Denn in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben die Diebe ihre Taktik verändert. Die Zeit ist vorbei, da Kunstwerke in Geiselhaft genommen wurden, um Lösegeld für die Rückgabe zu erpressen. Denn die Gefahr ist viel zu groß, beim Kontakt mit den Behörden erkannt zu werden. Die Verbrecher bleiben heute lieber anonym, indem sie die gestohlenen Stücke zerstören und die enthaltenen Edelmetalle verkaufen. Das war auch der Grund, wieso vor 15 Jahren ausgerechnet die Vitrine mit hochwertigen Taschenuhren aus dem späten 19. Jahrhundert zertrümmert wurde: Die zahlreichen schweren Goldgehäuse ließen sich, fein zerstückelt, relativ leicht und unbemerkt zu Geld machen.

Vor diesem Hintergrund besteht leider auch wenig Hoffnung, dass die Stücke aus den Einbrüchen im Berliner Bode-Museum oder dem Grünen Gewölbe in Dresden jemals wieder aufgefunden werden. Denn die 100 kg schwere Goldmünze und der einzigartige Schmuck der Kurfürsten von Sachsen sind vermutlich längst eingeschmolzen.

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