Museumsalltag einmal anders

Seit zweieinhalb Monaten hat das Deutsche Uhrenmuseum wieder geöffnet. In dieser Zeit mussten wir uns darauf einstellen, unter den Vorgaben zum Infektionsschutz den Betrieb wieder anlaufen zu lassen. Ist mit der vielzitierten „neuen Normalität“ wieder „alles beim Alten“? Was bedeuten die Veränderungen für die Arbeit hinter den Kulissen?

Dieser Artikel stammt von unserem Museumspädagogen Robert Werner und ist ein Beitrag zur Blogparade #KulturAlltagCoronaNeuer Alltag mit Corona in Kultur und Museum, die von Zeilenabstand.net und dem Kulturnetzwerk Kultur hoch N veranstaltet wird.

Geselligkeit: An diesem tiefen menschlichen Bedürfnis hängt die Kultur ganz besonders. Gespräche, geistiger Austausch, Live-Musik, Theater, gemeinsames Essen… Vielen Menschen wurde vor einiger Zeit schmerzlich bewusst, wie sehr diese Erlebnisse fehlen können. Museen scheinen auf den ersten Blick nicht unbedingt dazuzugehören: Noch immer spukt das Zerrbild vom elitären Musentempel in vielen Köpfen umher, in dem ein paar wenige Interessierte sich stundenlang der Lust am Staubigen hingeben. Dabei sind gerade Museen darauf angewiesen, dass viele Menschen zusammenkommen, sich mit den Ausstellungen beschäftigen und sich lebhaft darüber austauschen. Mit den Museumsgästen ist ein wichtiges Stück Leben zurückgekehrt, das uns während der Schließungszeit gefehlt hat.

Hier im Deutschen Uhrenmuseum sind wir gerade hin- und hergerissen. Einerseits fehlen uns die Reisegruppen, die Schulklassen, die vielen Touristen aus anderen Ländern, die sonst einen großen Teil unserer Gäste ausmachen. Es fehlen die Ferienkinder, die sonst jedes Jahr zum Basteln kommen. Und ein Stück weit fehlt auch die Unbekümmertheit, mit der wir uns sonst organisieren konnten. Die Vorschriften, die unser aller Gesundheit schützen sollen, schränken an anderen Stellen unsere Möglichkeiten ein. Es ist wieder einmal diese Dialektik zwischen Sicherheit und Freiheit, die uns nun täglich im Museum begegnet.

Musikautomaten wie dieses Orchestrion gehörten zu den ersten Objekten, die wir nach der Wiederöffnung unseres Museums unseren Gästen vorführen konnten. Ein Klick auf das Bild öffnet ein Hörbeispiel.

Der andere Pol ist die Freude, wieder arbeiten zu können, vor Ort, nicht mehr ersatzweise im Homeoffice. Wir können unsere Musikautomaten und die große Kunstuhr von August Noll vorführen. Wir dürfen wieder Führungen für kleine Gruppen anbieten. Die Freude, dass wir fast wieder so viele Einzelbesucher und Familien bei uns begrüßen können wie im vergangenen Jahr. Das gute Gefühl, dass wir ein lohnendes Ausflugsziel sind und den Menschen etwas bieten, wofür sie gerne aus dem Hause gehen. Und dass wir eine Balance gefunden haben, die Menschen so gut wie möglich vor Ansteckungen zu schützen, ohne ihnen den Besuch bei uns zu verleiden.

Neue Pflichten und mehr Arbeit

Derzeit müssen wir viele neue Aufgaben zusätzlich stemmen. Vor allem die Kolleginnen am Empfang, die ohnehin schon einen teils stressigen Job haben, müssen nun mehr als vorher koordinieren. Zu den Stoßzeiten scheint alles gleichzeitig zu kommen: Eintrittskarten, Souvenirs, Auskünfte zum Museum, häufigere Kartenzahlung als früher und die Pflicht zur Datenerhebung, wie sie in der Landesverordnung von Baden-Württemberg vorgeschrieben wurde. Und dabei soll alles schneller als früher gehen, denn das Foyer ist nur noch Durchgangszone, kein Aufenthaltsbereich mehr, damit sich nicht zu viele Menschen auf zu geringem Raum ansammeln. Bei steigendem Stress dann immer noch freundlich und professionell zu bleiben, das verlangt viel ab und verdient Respekt.

In einem Museum, das sich mit Uhren beschäftigt, hat das Nachdenken über Zeit natürlich einen besonderen Stellenwert. Und gerade kommt es häufiger vor, dass wir in der Zeit, die wir im Museum arbeiten, mehr Arbeit unterbringen müssen als zuvor. Das geht natürlich nicht beliebig, irgendwo fallen dann andere Aufgaben den Prioritäten zum Opfer.* Im letzten Jahr hat es noch genügt, stündlich einmal die Musikautomaten vorzuführen und alle anwesenden Besucher, die gerade Lust hatten, sind dann dazugekommen. Nun dürfen maximal zehn Leute gleichzeitig im Vorführraum sein, doch natürlich soll niemand leer ausgehen. Also gibt es häufig zwei oder drei Vorführungen hintereinander (am vergangenen Sonntag waren es insgesamt 21!). Denn schließlich soll niemand das Gefühl haben, etwas zu verpassen.

Kommunikation ist nun wichtiger als vorher, braucht aber auch mehr Zeit. Nicht nur gegenüber unseren Gästen, sondern auch zwischen den Kolleginnen und Kollegen. Einige Ausstellungsbereiche sind für Führungen leider nicht zugelassen – das zerschneidet alte Führungsmuster und macht es nötig, neue zu entwerfen. Wer als fester Mitarbeiter regelmäßig hier arbeitet, hat dazu leichter die Möglichkeit, als die etwa 20 freien Kräfte, die den wichtigen Wochenendbetrieb am Laufen halten. Dass gerade in einer Zeit, die so viel Einsatz und Aufwand erfordert, gleich zwei Kolleginnen und der Direktor in den Ruhestand gehen, macht die Arbeit nicht unbedingt leichter.

Plakate am Eingang weisen auf die Maßnahmen des Hygienekonzeptes hin.

An die ständige Maskenpflicht musste sich wohl jeder erst gewöhnen. Doch hier im Umgang mit den Menschen fällt besonders auf, wie wichtig die Mimik für die zwischenmenschliche Verständigung ist. Die halb bedeckten Gesichter der Gäste machen es schwierig, Reaktionen zu erkennen. Es muss schon ein gelungener Scherz sein, der den Menschen ein Lachen entlockt, denn das feine Lächeln nach einer subtilen Anspielung geht hinter dem Stoff regelmäßig unter. Rückfragen sind schwerer zu verstehen, wenn man nicht nur einen Sicherheitsabstand wahren muss, sondern auch noch ein Stück Stoff die Sprache hindert. Doch das ist am Ende des Tages immer noch besser als ein leeres Museum.

Bei seiner Verabschiedung Ende Juni sagte unser ehemaliger Direktor Eduard Saluz: Die Arbeit im Museum ist ein Privileg. Ich stimme ihm zu. Und deshalb, trotz aller Einschränkungen und Schwierigkeiten, mit denen wir im Alltag zu arbeiten haben, stimmt es mich glücklich, wieder Kulturarbeit leisten zu können.

 

*Beinahe hätten wir nicht mehr an dieser Blogparade teilgenommen, denn erst kurz vor knapp habe ich überhaupt bemerkt, dass sie stattfindet – vorher bin ich wochenlang nicht dazu gekommen, im Netz nach Neuigkeiten aus der Kulturszene Ausschau zu halten. Deshalb vielen Dank an Damian Kaufmann, der uns ermöglicht hat, auch als Nachzügler noch teilzunehmen!

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