Letztes Jahr erhielt das Deutsche Uhrenmuseum eine Lackschilduhr mit außergewöhnlichem Bildmotiv: Man sieht einen Elefanten mit Sattel und Führer. Exotische Sujets finden sich nur selten auf den normalerweise bieder bemalten Schwarzwälder Lackschilduhren. Doch wie kommt ein Elefant in den Schwarzwald?
Nach einer sorgfältigen Reinigung des stark verschmutzten Zifferblatts konnte die abgebildete Szene im Schildbogen genauer betrachtet werden: Der Elefant hat seinen Rüssel um einen Baum geschlungen und reißt diesen um. Damit drückt er einen sich aufbäumenden Löwen nieder. Vor diesem wiederum liegt ein Mann auf dem Boden.
Preisgünstige Illustrationen dank Abziehbildern
Diese höchst dramatische Szene wurde jedoch nicht von Hand gemalt, sondern eine Zeichnung derselben wurde mittels eines Abziehbildes auf das Uhrenschild übertragen. Anschließend wurde die Szene von Hand koloriert. Diese Technik war um die Mitte des 19. Jahrhunderts weit verbreitet. Man konnte damit preisgünstige, attraktive Verzierungen auf Gegenstände aller Art aufbringen.
Die Abziehbilder wiederum waren meist keine eigenständigen Schöpfungen, sondern Kopien schon existierender Bilder. Während es noch vor wenigen Jahren fast unmöglich war, die Vorlagen dazu zu finden, so hat sich das inzwischen geändert. Heute steht ein riesiger Bestand älterer Literatur als Scan mit Volltextsuche im Internet.
Die Suche beginnt
Unsere Szene spielt, wie die Turbane der Elefantenführer zeigen, in Indien. Dieses stand damals unter englischer Herrschaft. Deshalb war es sinnvoll, die Suche in Englisch zu versuchen. Und tatsächlich findet sich unsere Jagdszene gleich in mehreren Internet-Bilddatenbanken.
Bei Gettyimages ist das Bild auf 1832 datiert. Diese Jahreszahl führt weiter zu einem Artikel im „Penny Magazine“, einer populären englischen Wochenzeitschrift. Dort findet sich zwar nur die Beschreibung unserer dramatischen Jagdszene, aber keine Abbildung. Dafür wird die Herkunft der Geschichte genannt. Sie stammt aus dem Buch „Pen and Pencil Scetches“ von Captain Mundy.
Auch dieses Buch ist als Scan im Internet zu finden. Mundy beschreibt darin in Text und Bild eine Indienreise mit vielen Jagderlebnissen. Darin sieht man auch unser Bild, allerdings in sehr viel sorgfältigerer Ausführung als auf dem Abziehbild.
Die Suche geht weiter
Unsere Bildersuche lieferte auch noch andere Treffer, beispielsweise in der Bilddatenbank Alamy. Die Angaben hier lauten anders. Wohl von Google Translator automatisch übersetzt, heißt es: „Alte Abbildung zeigt eine dramatische Episode des Löwen zu jagen. Von unbekannter Autor veröffentlicht am Magasin Pittoresque, Paris, 1833.“ Damit gelangt man schließlich zum „Magasin Pittoresque“, einer im 19. Jahrhundert populären Zeitschrift aus Paris. Und auch diese findet sich vollständig gescannt im Netz.
Der Text dort entspricht mit wenigen kleinen Änderungen dem Artikel im „Penny Magazin“. Auch hier wird auf das Buch von Captain Mundy verwiesen. Zusätzlich findet sich aber eine etwas vereinfachte Illustration der Jagdszene. Ganz offensichtlich ist dies die Vorlage für die Zeichnung auf dem Abziehbild unserer Uhr.
Damit haben wir zwar die Quelle für die Abbildung auf der Uhr gefunden, rätselhaft bleibt aber der Umstand, dass die Uhr erst etwa 30 Jahre später als das Bild entstanden ist.
Zum Schluss nun die Geschichte in deutscher Übersetzung:
„Ein junger Jäger hatte auf einen Löwen geschossen und bereitete einen zweiten Schuss vor, um ihn zu erledigen, doch durch eine Bewegung seines Elefanten fiel er herunter auf den Boden. Der Löwe, obwohl bereits geschwächt, fasste den unglücklichen Jäger zwischen seinen Krallen, keine Möglichkeit zur Rettung schien möglich. Doch der Elefant, zuerst erschrocken, dann angespornt von seinem Führer, wickelte seinen Rüssel um einen jungen Baum und zerriss dem Löwen, indem er ihn zwischen dem Stamm und dem Boden einklemmte, die Lenden. Man zog den Jäger halbtot hervor, sein linker Arm war zweifach gebrochen, sein Bauch und seine Seite schrecklich aufgerissen. Nichtsdestotrotz konnte er gerettet werden. Sein Heil wird hiermit allen Jägern als ein wunderbares Ereignis mitgeteilt.“
Ein Kommentar zu „Auf Spurensuche“