“Wo die Frau noch Dame sein darf”

„Keine Angst, wir kommen noch rechtzeitig…“ Inserat der Firma Roamer (Ausschnitt), Schweiz 1963 (Archiv Deutsches Uhrenmuseum)


Unter diesem Titel schrieb Katharina Pfannkuch in der FAZ einen Artikel über die Speisekarten ohne Preise, die noch in der Nachkriegszeit in besseren Restaurants den weiblichen Gästen gereicht wurde. Die Rollen waren damals noch klar verteilt: Er bezahlt, sie macht sich hübsch.

 

Damit konnte „Mann“ auch zeigen, dass er genügend Geld verdiente, so dass „seine“ Frau nicht arbeiten musste. Ihre Rolle bestand demgegenüber im feinen Auftritt: Dazu trug sie Schuhe, die nicht zum Laufen geeignet waren, hauchdünne Strümpfe, enge Kleidung, eine aufwendige Frisur und natürlich teuren Schmuck.

Titel einer Werbebroschüre von Alpina, Deutschland um 1960 (Archiv Deutsches Uhrenmuseum)

Auch ihre Armbanduhr, eigentlich ein praktisches Accessoir, folgte dieser Logik: Sie war so klein, dass die Zeiger kaum zu erkennen waren. Doch das war nicht schlimm, denn eine Dame ließ sich nicht von der Uhrzeit dirigieren. Oder, wie es in einem Inserat der Firma Rolex hieß: „Pünktlichkeit? Sie lächelte darüber.“[i] Und der Herr übte sich in Nachsicht, wenn seine Dame sich verspätete.

Uhrwerk Kaliber Piaget 6P, Durchmesser 13,5 mm, Georges Piaget SA, La Côte-aux-Fées um 1960 (Inv. 48-3940-05)

Die Schweizer Uhrenfabriken überboten sich in der Konstruktion von immer kleineren Uhrwerken. Ein besonders winziges stammt von der Firma Piaget aus dem ebenfalls winzigen Ort “La Côte-aux-Fées” (die Halde der Zauberinnen) im schweizerischen Jura. Piaget entwickelte ein Uhrwerk mit einem Durchmesser von gerade einmal 13,5 Millimeter, kleiner als eine Cent-Münze. Es erhielt die spröde Bezeichnung 6P, denn der Durchmesser entspricht einem halben Pariser Zoll oder sechs Linien. Trotz seiner Kleinheit erfüllt das Kaliber 6P aber alle Anforderungen an ein zuverlässiges und technisch hochwertiges Uhrwerk: Es besitzt 17 Lagersteine, eine perfekt ausgewuchtete Schraubenunruh und sogar eine Stoßsicherung.

„Qualität und Eleganz bestimmen die Wahl“, Inserat der Firma Arsa, Schweiz, 1960 (Archiv Deutsches Uhrenmuseum)

Diese bräuchte es wohl kaum – Damen bewegten sich nicht so, dass ihre Uhren in Gefahr gerieten. Doch beim Uhrenkauf schauten sie auf Qualität und Eleganz. Und wie im guten Restaurant wurden sie nicht mit dem Preis belästigt.

Seither hat sich viel verändert. Heute dürfen auch Frauen sowohl ihr Essen wie auch ihre Uhren selbst bezahlen.

 

 

 

 

 

[i] Schweizer Uhren und Schmuck Journal, Internationale Ausgabe. Nr: 5-1961, Heftrückseite.

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