1894 – Vor 125 Jahren führte die Schweiz die mitteleuropäische Zeit ein

Zeitverwirrung vor der Einführung der Zonenzeiten, Taschenuhr Hora Universa, um 1880 (Inv. 45-3610)

Welche Zeit soll in der Schweiz gelten? Die mitteleuropäische Zeit (MEZ) oder doch lieber eine eigene Schweizer Zeit? Das wurde vor 125 Jahren heiß diskutiert. Denn damals begannen die Zeitzonen, sich international durchzusetzen. Sollte sich die Schweiz diesem Trend anschließen oder verweigern?

 

Warum überhaupt eine einheitliche Zeit?

Wie spät ist es denn anderswo? Weltzeittaschenuhr vor der Einführung der Zonenzeiten, Beguelin, Tramelan, Schweiz, um 1885, Inv. 2000-092

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten die Gemeinden und Städten der Schweiz je eine eigene Zeit. In den meisten Regionen nördlich der Alpen war es bei Sonnenhöchststand 12 Uhr mittags. Südlich der Alpen begann der Tag vielfach noch bei Sonnenuntergang.

Diese Vielzahl an Ortszeiten war nach Einführung der Telegraphie zu einem gravierenden Problem geworden. Seit 1853 diente die Ortszeit der Hauptstadt Bern als einheitlicher Zeitstandard, um dem weit entfernten Empfänger korrekt mitteilen zu können, wann die Nachricht versandt worden war. Diese Berner Zeit wurde bald auch von den Eisenbahnen übernommen. Und auch im Alltag setzte sich die einheitliche Zeit auch ohne kantonale Regelungen durch: Die Leute verstanden, wie praktisch es war, die Uhren nach der exakten Zeit der Post oder Eisenbahn zu stellen.

 

Druck von außen

1892 hatten die deutschen und österreichischen Eisenbahnverwaltungen begonnen, die Züge auf beiden Seiten der Grenze nach der neuen mitteleuropäischen Zeit verkehren zu lassen. Italien signalisierte, dass es sich dieser Regelung bald anschließen würde. Und um nicht „aus der Schweiz eine Insel zu machen im wogenden Meere des Verkehrs“, führte der Bund die mitteleuropäische Zeit am 1. Juni 1894 für die Eisenbahn sowie die Post- und Telegraphenämter ein.

Zankapfel mitteuropäische Zeit: Der frankophone Westen der Schweiz, das Zentrum der Uhrenindustrie, liegt außerhalb der Zeitzone, Darstellung von 1894

Anders als bei der Berner Zeit war diese Neuerung umstritten. Insbesondere in der Westschweiz wollten viele an der bewährten Praxis festhalten: „Gardons notre heure nationale suisse“, titelte eine Broschüre von Ed. Lullin 1893. Die „natürliche“ Berner Zeit passe besser zur Schweiz als ein Standard, der sich am Längengrad der Kleinstadt Stargard im deutschen Pommern orientiere.

Verschiedene Vorschläge lagen auf dem Tisch: Einige wollten an der Berner Zeit festhalten. Andere wiederum forderten, zwei Zeiten zu verwenden: eine globale Weltzeit für den Verkehr, die Kommunikation und die Wissenschaft sowie die Ortszeit für den Alltag. Doch sobald die Mitteleuropäische Zeit eingeführt worden war, verstummte diese Kritik. Der Übergang vollzog sich ebenso geräuschlos wie vierzig Jahre früher bei der Berner Zeit.

Heute ist die Mitteleuropäische Zeit in der Schweiz ebenso selbstverständlich wie in den anderen europäischen Ländern. Nur bei der Sommerzeit gibt es immer noch heftige Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern der Zeitumstellung…

Ein Kommentar zu „1894 – Vor 125 Jahren führte die Schweiz die mitteleuropäische Zeit ein

Kommentar verfassen