Vom Leben eines Uhrmachers in der Nachkriegszeit

Winzig klein sind die Teile, die der Uhrmachermeister Eduard Moers zu seiner Meisterprüfung 1954 angefertigt hat. Wie schwierig sein Berufsweg in der Nachkriegszeit war, erzählt er selbst in einem Interview.

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Kindheit und Schulzeit im Zweiten Weltkrieg

Eduard Moers wurde am 24. August 1931 als Sohn des Uhrmachers Franz Moers und seiner Frau Magdalen in Aachen geboren. Als er Ostern 1938 eingeschult wurde, konnte er noch nicht ahnen, auf welch bedrückende Art der Zweite Weltkrieg seine Kindheit und Schulzeit beeinflussen würde.

In der zweiten Kriegshälfte beeinträchtigten Bombardierungen und die näherrückenden Gefechte den Alltag in Aachen mehr und mehr. Zu Beginn der Sommerferien 1944 wurde auch der Schulbetrieb eingestellt.

Eduard Moers als Uhrmacherlehrling in Aachen, um 1946

Am 13. September 1944 musste die Familie Aachen verlassen. Sie fand Zuflucht bei Verwandten im nördlichen Taunus. In Camberg besuchte Eduard Moers die Hauptschule. Als die amerikanischen Truppen am Karfreitag 1945 den Ort erreichten, wurden die Schulen auch dort geschlossen.

Im Juni 1945 kehrte die Familie nach Aachen zurück. Erst nach den Sommerferien fand wieder Unterricht statt. Eduard Moers befand sich nun in der Abschlussklasse. Schon einen Tag nach Ende der 8. Klasse am 26. März 1946 begann Eduard Moers seine Lehre als Uhrmacher. Er war erst 14 Jahre alt.

1946: Uhrmacherlehre

Eduard Moers mit seinem Vater, dem Uhrmachermeister  Franz Moers, um 1946

Mit der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 hatte der Krieg in Europa geendet. Doch seine Auswirkungen sollten für die Zivilbevölkerung noch viele Jahre schmerzhaft spürbar sein. Ein Großteil vor allem der Städte und Infrastruktur war zerstört, Hunger an der Tagesordnung.

Auch die Menschen selbst waren vom Krieg gezeichnet. Versehrte gehörten zum alltäglichen Straßenbild. Aber vielen sah man die Verwundungen nicht an. Zu Ihnen gehörte auch der Vater von Eduard Moers. Franz Moers hatte den Krieg psychisch nicht verkraftet. Die wahrlich anspruchsvolle Aufgabe, eine Familie durch die von Nöten geprägte Nachkriegszeit zu bringen, konnte er kaum schultern. Darüber berichtet Eduard Moers in einem Interview, das seine Tochter 2022 aufgenommen hat. Einzelne Ausschnitte aus diesem Interview sind im Folgenden zu hören.

Eduard Moers als Uhrmacherlehrling bei Eugen Althoff in Stolberg, um 1949

Für  Franz Moers war es selbstverständlich, seinen Sohn als Lehrling aufzunehmen. Doch leider war er dieser zusätzlichen Belastung nicht gewachsen. Den zweiten Teil seiner Ausbildung absolvierte sein begabter Sohn deshalb bei einem Uhrmacher im nahegelegenen Stolberg. Die Prüfung bestand Eduard Moers am 28. November 1948 mit Auszeichnung.

Praktische Arbeiten zur Prüfung als Uhrmachergeselle, Eduard Moers, Aachen, am 29.11.1949 , Inv. 2022-099

1948: Im väterlichen Geschäft

Um den Vater im wichtigen Weihnachtsgeschäft zu unterstützen, stieg der frischgebackene Geselle direkt in den Familienbetrieb ein. Von Anfang an spielte Eduard Moers eine tragende Rolle. Im Frühjahr 1952, also mit gerade 20 Jahren Lebenserfahrung, übernahm er de facto die Geschäftsführung.

Zum Führen eines eigenen Geschäfts war eigentlich der Meistertitel erforderlich. Deshalb begann er im Folgejahr, die Vorbereitungskurse zur Meisterprüfung zu besuchen. Am 4. November 1954 bestand Eduard Moers auch diese Prüfung erfolgreich.

Aufgaben zur Meisterprüfung im Uhrenhandwerk, Eduard Moers, Aachen, 4.11.1954 , Inv. 2022-100

 

 

Praktische Arbeiten zur Meisterprüfung im Uhrenhandwerk, Eduard Moers, Aachen, 4.11.1954 , Inv. 2022-100

1955: Der eigene Laden

Kaum ein halbes Jahr später, im März 1955, zog das Uhrengeschäft in ein neues Ladenlokal am Rande der Altstadt um. Damit wurde auch nach außen hin sichtbar, dass der Sohn das Geschäft führte.

Ein Freund aus Kindertagen gestaltete die Inneneinrichtung Anfang der 1960er Jahre um. Das Geschäft strahlte nun den Geist des „Wirtschaftswunders“ aus – wie die Boomzeit ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre gern bezeichnet wurde.

Leider konnte die gesamte Uhrenbranche von der wirtschaftlichen Erholung der Nachkriegszeit nicht annähernd so stark profitieren wie andere Industriezweige. Viele Uhrengeschäfte hatten es auch in den 1950er und 1960er Jahren schwer, die Inhaber und ihre Familien zu ernähren – zumal, wenn Sie wie Eduard Moers auch noch für die Eltern sorgen mussten.

1971: Das Ende

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre stiegen die Löhne stark an – für die Uhrengeschäfte eine Katastrophe. Nun war es häufig billiger, eine neue Uhr zu kaufen, als die alte reparieren zu lassen. Darüber hinaus wurden viele preiswerte Uhren nicht mehr vom Fachhandel verkauft, sondern in den Warenhäusern und über den Versandhandel.

Die Folge dieser Entwicklung: Viele traditionelle Uhrengeschäfte waren nicht mehr rentabel und mussten schließen. Im November 1971 begann auch Eduard Moers mit dem Ausverkauf. Den Rest seines Berufslebens arbeitete er als Kassierer bei der Stadtsparkasse Aachen.

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