“made in Berlin” – Neues Themenportal geht dem Phänomen “Berliner Uhren” nach

Augsburger Türmchenuhren, Nürnberger Eier, Schweizer Chronometer, Pariser Pendulen, Schwarzwälder Uhren oder Präzisionszeitmesser aus dem sächsischen Glashütte – solche Begriffe mit einem eindeutig lokalen Bezug sind Uhreninteressierten geläufig. Dass sich aber auch Berlin seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein als eine Hochburg der Uhrenproduktion etabliert hatte, war bislang nur Sammlern oder Spezialisten bekannt.

Johann Wollenweber: Horizontale Tischuhr, um 1750, Stiftung Stadtmuseum Berlin.

Dabei genossen vor allem Berliner Uhren mit mechanischen Musikwerken europaweit einen exzellenten Ruf. Sie finden sich nicht nur in den Hohenzollern-Schlössern oder anderen fürstlichen Residenzen in Deutschland, sondern auch in ländlichen Gutshäusern und sogar im Ausland, wie in St. Petersburg oder Stockholm.

Eine Auswahl von 41 „Berliner Uhren“ stellt das Anfang 2021 gestartete gleichnamige Themenportal auf museum-digital vor. Erstmals wurden Uhren „made in Berlin“ als eine eigene Gruppe mit spezifisch regionalen und kunsthandwerklichen Eigenschaften klassifiziert und bewertet. Das Themenportal bietet interessierten Laien, Sammlern und Fachleuten gleichermaßen eine digitale Plattform für Informationen und Möglichkeiten zum fachlichen Austausch.

Es begann vor 300 Jahren

Die Geschichte der Berliner Uhrmacherei geht in die Zeit um 1700 zurück. Seitdem siedelten sich Schweizer, französische und böhmische Uhrmacher, häufig protestantische Glaubensflüchtlinge, mit ihrer Profession in Brandenburg-Preußen an. Doch erst König Friedrich II. von Preußen (1712-1786) förderte die Berliner Uhrenherstellung systematisch als Teil seiner merkantilistischen Wirtschaftspolitik.

Johann Friedrich Spindler, Johann Melchior Kambly (Gehäuse), Abraham-Louis Huguenin (Werk): Bodenstanduhr, 1767, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Potsdam, Neues Palais.

Mit eigenem Geld und der Zusage zahlreicher Privilegien für die Arbeiter und Kunsthandwerker versuchte er, auswärtige Experten ins Land zu locken. Der König trieb die Gründung der Berliner Uhrenfabrik voran, die der berühmte Schweizer Uhrmacher Abraham-Louis Huguenin (1733-1804) von 1765 bis 1769 leitete. Auf diese Weise wurde die Basis für den Wissenstransfer ausländischer Uhrmacher nach Berlin geschaffen.

Christian Möllinger: Bodenstanduhr mit Flötenwerk und Urania-Bekrönung, 1797, Stiftung Stadtmuseum Berlin.

Friedrich II. selbst erwarb nicht nur viele, eigens nach seinem Geschmack gebaute Uhren zur Ausstattung seiner Schlösser, sondern verschenkte sie an andere Fürstenhäuser oder an Vertraute für besondere Dienste. Für Musikspieluhren hegte der Flöte spielende König eine Vorliebe und förderte deren Herstellung mit immensem Aufwand. So entwickelte sich unter seiner Regentschaft die Uhren-Produktion als eigenständiger Wirtschaftszweig für Luxuswaren.

Davon wurden hervorragende Uhrmacher angezogen, wie der Schweizer Johann Rudolph Fischer, Christian Ernst Kleemeyer aus Sachsen oder Christian Möllinger aus der Pfalz. 1783 erwirkten die Berliner Großuhrmacher sogar eine Einfuhrsperre für englische Gewichtuhren und Schweizer, Augsburger und französische Federuhren, da sich „Ihre Kentniße und Arbeiten (…) verbeßert(,) so daß sie Harfen(-,) Flöten(-) und dergleichen Künstliche Uhren jetzt in solcher qualitaet verfertigen, welche für das Publicum hinreichend wären und sie mit den Ausländischen gleiche Preise hielten künfftig auch noch beßere Preise halten werden“.

Zifferblatt-Rückseite mit Signatur von Louis Buzat. Jacob Alt (Werk): Bodenstanduhr, um 1830, Kunstgewerbemuseum Staatliche Museen zu Berlin.

Auch die benötigten Zifferblätter sowie andere Uhrenteile kamen aus der Region: Die Email-Zifferblätter aus Friedrichsthal nördlich von Berlin waren deutlich teurer als die ausländischen, doch Importe waren durch die königliche Wirtschaftspolitik stark eingeschränkt. So finden sich in den meisten Berliner Uhren aus der Zeit bis Anfang des 19. Jahrhunderts besonders schöne, häufig schüsselförmige Zifferblätter, in deren Konteremail „L B & C(omp.)“ eingeschrieben ist. Das Kürzel steht für den aus Genf stammenden Zifferblatthersteller Louis Buzat und seine Friedrichsthaler Manufaktur.

Projekt „Berliner Uhren“

Pierre Fromery: Kleine Tischuhr mit Feuerzeugwecker, Detail mit Steinschlossmechanismus und Kerze, um 1700, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloss Oranienburg.

Diese und viele weitere Beobachtungen stellte das seit 2014 tätige kleine Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Stiftung Stadtmuseum Berlin, dem Kunstgewerbemuseum SMB PK und Musikinstrumenten-Museum SIMPK zum Thema „Berliner Uhren“ fest. 2020 gelang auf Antrag des Berliner Stadtmuseums und dank einer Förderung des Forschungs- und Kompetenzzentrums Digitalisierung Berlin (digiS) die Initialzündung für das Themenportal. Die ausführlich kommentierten und mit aussagekräftigen Fotos sowie teilweise durch Tonaufnahmen im Detail gut nachvollziehbaren Uhren kommen bislang aus den oben erwähnten Museen sowie aus der Akademie der Wissenschaften in Berlin, dem Museum Neuruppin, dem Museum Eberswalde, dem Musikinstrumentenmuseum Leipzig und dem Schlossmuseum Elisabethenburg in Meiningen.

Das Themenportal ist auf Erweiterung angelegt und bietet den Vorteil, nicht nur öffentlich zugängliche Werke zu präsentieren, sondern auch deponierte, schwer zugängliche oder in privaten Sammlungen befindliche Uhren. Schon jetzt zeigen erste Reaktionen von Website-Besuchern, dass es noch einen großen Schatz an Berliner Uhren zu heben gilt, darunter auch bislang noch nicht betrachtete Präzisionszeitmesser, wie beispielsweise die von Friedrich Tiede.

Für diesen Gastbeitrag bedanken wir uns sehr herzlich bei Dr. Silke Kiesant, Kustodin für Uhren und Skulpturen bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg . Alle Bilder in diesem Beitrag stammen von Photograph Oliver Ziebe und wurden uns mit freundlicher Genehmigung der SPSG zur Verfügung gestellt.

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