Zeitenwende

Die Herstellung von Schiffschronometern galt lange Zeit als Königsdisziplin der Uhrmacherei. Es war ja auch staunenswert, dass man mechanische Uhrwerke bauen konnte, die bei Schaukeln und Schwanken und ungeachtet großer Temperaturdifferenzen fast auf die Sekunde genau gingen.

Pioniere wie John Harrison, John Arnold oder Pierre Berthoud entwickelten dazu schon Ende des 18. Jahrhunderts die wesentlichen Elemente. In den nächsten 150 Jahren wurden nurmehr kleinere Verbesserungen vorgenommen. Noch 1930 sahen Marinechronometer so aus wie hundert Jahre früher. Herzstück war die schwingende Unruh. Dank der Kombination von Messing und Stahl und dank geschickt platzierter Ausgleichsgewichte kompensierte die Unruh nicht nur ihre Ausdehnung bei Erwärmung, sondern auch die sich bei Temparaturschwankungen verändernde Elastizität der Unruhfeder. Die Herstellung der Bimetall-Kompensationsunruhen war aufwendig und brauchte viel Erfahrung.

Doch dann eröffneten die Elektronik und die Radiotechnik ganz neue Möglichkeiten. So wurden im Zweite Weltkrieg das Radar und die UKW-Technologie entwickelt. Und kurz nach dem Krieg begann mit der Erfindung des Transistors auch die Halbleitertechnik. Kompetenz auf diesen Gebieten brauchte kein handwerkliches Können mehr, sondern Ingenieurswissen.

Mitte der 1950er Jahre entwickelte die französische Uhrenfirma Leroy in Frankreich ein erstes Marinechronometer mit elektronischer Transistorsteuerung, den „Chronostat“¹. Dieser verband traditionelles Uhrmacherhandwerk mit modernster Technologie: Als Taktgeber diente nach wie vor eine herkömmliche Bimetall-Kompensationsunruh, angetrieben wurde diese jedoch elektromagnetisch. Für die damals ganz neue Transistorsteuerung löste Leroy eine Lizenz bei der Firma Léon Hatot SA, die sich diese Technologie schon 1953 hatte schützen lassen. Der „Chronostat“ funktionierte genau und zuverlässig und konnte zusätzlich auch als Hauptuhr zum Ansteuern von Nebenuhren verwendet werden.

In einem nächsten Schritt präsentierte die traditionsreiche Genfer Uhrenfirma Patek-Philippe im September 1960 ein Marinechronometer mit der Bezeichnung „Chronotome“.² Dieses zeigte schon von außen, dass nun eine Zeitenwende anstand. Während Leroys „Chronostat“ noch ein Mahagonigehäuse besaß, so zeigte sich “Chronotome“ in einem Metallgehäuse mit Hammerschlag-Lackierung. In diesem Gehäuse tickte auch keine Unruh mehr, sondern in einem Glaskolben vibrierte ein Quarz mit einer Frequenz von 10 Kilohertz. Das dabei entstehende Signal wurde elektronisch verarbeitet und steuerte einen kleinen Synchronmotor, welcher das Zeigerwerk antrieb. Dieser brauchte jedoch ziemlich viel Energie, so dass die Akkus höchstens zwei Wochen lang durchhielten.

Patek Philippe garantierte eine tägliche Gangabweichung von maximal 0,03 Sekunden. Diese Genauigkeit hatte jedoch ihren Preis. Bereits der Selbstkostenpreis des „Chronotome“ lag bei 8800 Franken, der Verkaufspreis somit im fünfstelligen Bereich. Zum Vergleich: Ein VW-Käfer kostete damals 6675 Franken. Kein Wunder also, dass nur wenige „Chronotome“ hergestellt wurden. Michael Schuldes schätzt ihre Zahl auf maximal 120 Stück.

 

 

¹Die beiden Prototypen des “Chronostat” Nr. 1 und Nr. 2 von 1955 wurden am 23. Oktober 1999 bei Antiquorum in Genf versteigert. Die Katalogeinträge dazu finden Sie hier und hier.

²Michael Schuldes: Erste tragbare, batteriebetriebene Quarzuhr der Firma Patek Philippe, in: Johannes Graf (Hg.): Die Quarzrevolution. Furtwangen 2007, S. 52ff.

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