Klein aber oho – der Transistor

Transistor Typ SFT 251. Société Générale de Semi-conducteurs, Saint-Egrève (F), um 1955 (aus Inv. 2004-054)

Ende der 1940er Jahre wurde in den USA der Transistor erfunden. Damit begann ein stürmischer technologischer Wandel. Dies nicht nur auf den klassischen Gebieten der Elektronik wie der Radio- und der Computertechnik, sondern auch im Bereich der Zeitmesser.

 

Elektromagnetisch angetriebene Uhren waren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt, doch diese hatten keinen guten Ruf. Ihre große Schwachstelle war das Ein- und Ausschalten des Stroms bei jeder Pendel- oder Unruhschwingung. Die dafür verwendeten mechanischen Schalter versagten über kurz oder lang. Für dieses Problem versprach der Transistor eine Lösung: Mit ihm konnte man rein elektronisch schalten, Transistoren unterliegen keiner Abnutzung.

Zeichnung zum Patent von Lavet/Dietsch, grün hervorgehoben der Transistor. (Patent FR 1090564) Ein Klick vergrößert das Bild.

Dies erkannten als erste Marius Lavet und Jacques Dietsch, zwei Ingenieure der französischen Uhrenfirma Hatot. Sie meldeten 1953 mehrere Patente für elektromagnetische Uhren mit Transistorsteuerung an.i Diese Patente waren sehr weit gefasst und deckten sowohl Pendeluhren als auch Uhren mit Unruh ab.

Hatot fabrizierte seit den 1920er Jahren elektromagnetisch angetriebene Uhren unter der Marke ATO. Auch dafür besaß die Firma wichtige Patente. So wurde nicht die Herstellung eigener Uhren zum Hauptgeschäft, sondern die Vergabe von Lizenzen an andere Uhrenfabriken, in Deutschland unter anderem an Junghans.

Eine neue Zeit beginnt

Marinechronometer „Chronostat“, L. Leroy & Cie. Frankreich um 1960. (Inv. 2004-054)

Der Zweite Weltkrieg hatte in Frankreich starke Zerstörungen hinterlassen. Es gab viel aufzubauen. In den 1950er Jahren herrschte demzufolge große Aufbruchstimmung und man war offen für neuartige Ideen. So entwarf die traditionsreiche Uhrenfirma Leroy ein neuartiges Marinechronometer mit elektromagnetischem Antrieb und Transistorsteuerung und nahm dafür eine Lizenz bei Hatot. Der „Chronostat“, wie das neue Chronometer genannt wurde, kombinierte traditionelles Uhrmacherkönnen mit Elektronik: Eine herkömmliche Bimetall-Präzisionsunruh mit Ausgleichsgewichten wurde durch elektromagnetische Impulse angetrieben. Neben dem Transistor für die Ansteuerung der Antriebsspule gab es noch einen zweiten, der ein Steuersignal für externe Verwendung erzeugte. Der „Chronostat“ konnte auch als Hauptuhr verwendet werden.

Das Werk des „Chronostat“ mit traditioneller Bimetall-Kompensationsunruh. (Inv. 2004-054)

Nicht nur in Frankreich, sondern auch in der Bundesrepublik Deutschland ging es in den 1950er Jahren wirtschaftlich steil aufwärts. Und auch hier setzte man auf moderne Verfahren. Die größte deutsche Uhrenfirma war Junghans in Schramberg. Diese baute seit den 1930er Jahren elektromagnetische ATO-Uhren unter Lizenz. So lag es nahe, auch Hatots neuartige Transistorsteuerung zu verwenden. Junghans entwickelte damit nicht nur das Kaliber „Ato-Mat“ für Tisch- und Wanduhren, sondern auch das elektromagnetische Armbanduhrwerk „J 100“ mit Transistorsteuerung. Voll Stolz wurde dieses 1961 zum Hundertjahr-Jubiläum der Firma als neueste Entwicklung vorgestellt.ii Dies war jedoch vorschnell, denn am Handgelenk bewährte sich das „J 100“ nicht. Um wenigstens die schon hergestellten Werke zu verwenden, baute Junghans sie in Tischuhren mit damals ebenfalls hochmodernen Solarzellen ein. Vollmundig wurden diese Uhren als „Modell des Raumfahrt-Zeitalters“ angepriesen.

 

i FR 1090564 (lautend auf die Firma Hatot SA) und FR 1092411 mit diversen Zusätzen

ii Franz Ludwig Neher: Ein Jahrhundert Junghans. Schramberg 1961, Tafel zu S. 153.

 

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