Alle Blumen welken, nur die auf dem Lackschild nicht

15 Milllionen Holzuhren allein bis 1850: Mit ihren bunt bemalten Lackschildern waren sie der VW-Käfer unter den Uhren. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte man sie auch in vielen Haushalten ärmerer Leute finden. Nun hat das Museum eine Auswahl besonders schöner Exemplare dieser Alltagsuhren übernommen.

Die Sammlung

Die Uhren sind dem Museum von Brigitte Billing (1921-2016) gespendet worden. Zwischen 1962 und 1970 hatte sie etwa 80 Lackschilduhren zusammengetragen. Damals galten solche frühen Massenprodukte noch als alter Plunder. Erst mit der Nostalgiewelle der 1970er Jahre wurden Schwarzwalduhren zu begehrten Antiquitäten. Heute ist dieser Hype aber wieder abgeklungen.

In der Regel sind solche Lackschilduhren seit den 1970er Jahren schon durch zahlreiche Hände gegangen. Jede Generation von Uhrenliebhabern reparierte und renovierte diese robusten Uhren mit Hingabe. Bei den Besitzerwechseln ging leider der historische Zusammenhang, aus dem sie stammen, verloren.

Nicht so bei den Uhren aus der Sammlung Billing: Sie waren noch echte Dachbodenfunde und kamen wohl überwiegend direkt aus Haushaltsauflösungen der Kurpfalz. Das Wissen um die Fundregion der Uhren macht diese Stücke für das Museum so interessant.

Die Herkunft der Uhren

Bei etwa einem Drittel der Uhren in der Sammlung Billing befindet sich die Herstellersignatur auf der Rückseite. Auf den ersten Blick erstaunlich: Die allermeisten Namen auf der Rückseite bezeichnen Uhrmacher aus St. Georgen, dem nördlichsten Teil des Schwarzwälder Uhrengebietes. Was hingegen in der Sammlung Billing fast vollständig fehlt, sind Uhren aus anderen Teilen des Schwarzwaldes.

Rückseite einer Lackschilduhr mit den Signaturen von A.(ndreas) Hakenjos, St. Georgen, und mehreren Uhrmachern (u. a. Th. Roos, Rockenhausen / Pfalz)

Offenbar gab es einen oder mehrere Händler aus St. Georgen, die Uhren nach Heidelberg und Umgebung lieferten, aber keine aus dem geographischen Zentrum des Schwarzwälder Uhrengebiets rund um Furtwangen, dem Westen mit St. Märgen und St. Peter sowie dem Süden mit Eisenbach und Neustadt.

Damit bestätigt sich einmal mehr, was für den Uhrenhandel typisch war: Die Schwarzwälder Händler teilten sich die Absatzgebiete meist untereinander auf, um nicht am gleichen Ort in der Fremde miteinander konkurrieren zu müssen.

Die Qual der Wahl

Lackschilduhr mit dem Kaiserdom in Frankfurt a. M., Sammlung Billing, heute Historisches Museum Frankfurt a. M.

Frau Billing hat es dem Museum freigestellt, was mit ihrer Sammlung geschehen soll. Um Dubletten zu vermeiden, haben wir entschieden,  nur zehn Prozent der schönsten und aussagekräftigsten Uhren zu behalten.

Zahlreiche andere haben wir bereits an andere Museen weitergegeben – was ganz im Sinne der Spenderin ist. Teile der Billing-Sammlung bleiben im Schwarzwald. Sie befinden sich nun in den Heimatmuseen und -stuben wie in Gütenbach, Mönchweiler oder St. Georgen. Einige fanden ihren Platz außerhalb der Region,  in der Stadtgeschichtlichen Sammlung Emmendingen, im Technoseum Mannheim oder im Historischen Museum Frankfurt a. M. Weitere Uhren sind heute in Übersee zu finden. Dazu zählt das weltgrößte Uhrenmuseum der amerikanischen Uhrensammlervereinigung NAWCC in Columbia, Pennsylvania (USA) oder Claphams National Clock Museum in Neuseeland.

Doch bevor diese Stücke in alle Welt verstreut wurden, haben wir die gesamte Sammlung fotografiert und beschrieben. Diese Informationen gingen in eine interne Datenbank ein. Damit bleiben die Uhren der Sammlung für uns im Museum virtuell verfügbar.

 

Bereits 2010 wurden 60 Lackschilduhren in einer kleinen Sonderausstellung der Öffentlichkeit präsentiert:  “Rosen, Tulpen, Nelken, nicht alle Blumen welken.”

Die Schau haben wir genutzt, um die Meinung unserer Besucher und aller Museumsmitarbeiter einzuholen. Wir wollten wissen: Welche ist die Schönste im ganzen Land? Wer unter all den Schildern rein wie Schnee ist, rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz? Denn wenn wir auf unsere Gäste hören, finden wir unter all den bösen Stiefmütterchen vielleicht eher das Schneeglöckchen heraus.

Etwa die Hälfte der zehn meistgenannten Uhren mit den hinreißenden Blumenmotiven haben wir dann auch wirklich in die Sammlung aufgenommen. Vielleicht werfen auch Sie einmal einen Blick auf die oben gezeigten sechs Uhren? Überprüfen Sie doch einfach selbst, ob Ihnen der bunte Strauß an Uhren ebenso gut gefällt wie uns.

 

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