Würden Sie sich ein rohes Uhrwerk in die Wohnung hängen? Oder bevorzugen Sie eine dekorative Uhr, die zu Ihrer Einrichtung passt? Solche Überlegungen spielten schon früh im Schwarzwälder Uhrengewerbe eine Rolle – denn aufwendig gestaltete Zifferblätter verkauften sich gut. Dieser Beitrag widmet sich dem typischen Gesicht der Schwarzwalduhr im 19. Jahrhundert: Dem Lackschild.
Bunt, haltbar, günstig – Vorteile der Lackschilder
Bereits im 18. Jahrhundert gab es verschiedene Möglichkeiten, die Uhren zu dekorieren. Zunächst wurden die Holzzifferblätter wie Bauernmöbel mit Blumen und Pflanzen bemalt, später wurden sie auch mit Kupferstichen beklebt. Nur reiche Kunden konnten sich kunstvoll geschnitzte und gefasste Zifferblätter leisten.
Anfang des 19. Jahrhunderts kamen dann die preisgünstigen und variantenreichen „Lackschilder“ auf. Die weiß grundierten und bunt bemalten Holzzifferblätter wurden zum Markenzeichen des Schwarzwaldes. Hergestellt wurden diese hellen Zifferblätter von speziellen Handwerkern, häufig auch Frauen. Doch das Schildermalen war sehr ungesund, denn die Grundierung enthielt giftiges Bleiweiß. Trotzdem war die Arbeit begehrt: Sie wurde gut bezahlt und brauchte keine teure Werkstatteinrichtung.
Frühe Lackschilder bestechen durch einen feinen Goldrand und detaillierte Malerei. Doch bald ging man dazu über, die Arbeit zu vereinfachen, um den Preis zu senken. Die Malerinnen und Maler verwendeten Schablonen für den Ziffernring. Mit nur noch wenigen Strichen entstanden die typischen Blumenmotive. Und ab Mitte des 19. Jahrhunderts tauchen farbig gedruckte Abziehbilder auf, deren Verwendung im Vergleich zur Malerei nochmals Zeit einsparte.
„Ins Uhrenland!“ – Uhrenhandel mit der ganzen Welt
Ab Ende des 18. Jahrhunderts dominierten die preisgünstigen Schwarzwälder Holzuhren den europäischen Markt. Später fanden sie den Weg auch auf alle anderen Kontinente. Uhrenhändler aus dem Schwarzwald schlossen sich zu Handelsgesellschaften zusammen und gründeten Niederlassungen in den verschiedenen Absatzgebieten. Viele junge Männer gingen “ins Uhrenland”, um mit dem Uhrenhandel ihr Geld zu verdienen.
Eine weitere wichtige Schaltstelle für den Export waren die im Schwarzwald als „Packer“ bezeichneten Großhändler. Sie nahmen den Uhrmachern nicht nur die fertigen Uhren ab, sondern lieferten im Gegenzug auch Rohmaterial für neue Uhren sowie Dinge des täglichen Bedarfs. In großen Kisten schickten sie den Nachschub dann an Einzelhändler im Ausland. Je nach Bestimmungsort waren ganz unterschiedliche Ausführungen gefragt:
- In England waren Uhren mit Datumsanzeige und Lackschilder mit wenig Verzierung beliebt.
- In Frankreich verkauften sich farbenprächtige Zifferblätter am besten.
- In südlichen Ländern gab es Uhren mit schwarzem Rand. In Spanien durfte natürlich der Stierkampf als Motiv nicht fehlen.
Uhren für jeden Anlass
Die Gestaltungsmöglichkeiten der Lackschilder waren erstaunlich vielfältig. Als in den 1870er Jahren im Deutschen Reich der Kulturkampf tobte, hat dies auch auf Lackschilduhren Spuren hinterlassen. Oder die Uhrmacher und Schildermaler ließen ihre Kreativität spielen und verblüfften mit einem unkonventionellen Produkt.
Selbst auf außergewöhnliche Ereignisse reagierten die Schwarzwälder Schildermaler. Als 1827 zum ersten Mal eine Giraffe aus Ägypten in Frankreich ankam, löste sie eine regelrechte Aufregung aus. Geschäftstüchtige Händler merkten schnell, dass sich das Tier mit dem langen Hals als erstklassiges Motiv für allerlei Dinge eignete. Bald konnte man Teller, Tischgarnituren oder Tapeten mit der Giraffe kaufen. Auch die Verkäufer der Schwarzwälder Uhren meldeten in die Heimat, dass sie Schilder mit der Giraffe benötigten. Und so findet sich das Tier aus Afrika auch auf Holzzifferblättern aus dem Schwarzwald.
Unsere Serie über die Geschichte der Schwarzwalduhren geht heute in die dritte Runde. Die ersten beiden Teile sind bereits erschienen: