Stroh zu Gold flechten?

Schwarzwalduhr mit Darstellung einer Strohflechterin (Ausschnitt).

Eine Uhr, dekoriert mit Strohbändern und dem Bild einer Strohflechterin, die in ihrer Sonntagstracht arbeitet – schon um 1900 war das ein nostalgisches Erinnerungsstück an die „gute alte Zeit“. Doch was hatte es mit der Strohflechterei im Schwarzwald auf sich? Und war die alte Zeit wirklich so gut?

 

 

Die „feine Strohflechterei“ im früheren Schwarzwälder Uhrmachergebiet

Die Lackschilduhr zeigt eine Frau mit Strohhut (Nussbach, ca. 1840).

Bereits im 18. Jahrhundert wurden im Schwarzwald Strohgeflechte in Heimarbeit gefertigt, doch diese waren noch recht grob. Ende des 18. Jahrhunderts änderte sich das, mit dem neu eingesetzten kaiserlich-königlichen Obervogt der vorderösterreichischen Herrschaft Triberg. Diese Herrschaft umfasste neben dem Städtchen Triberg zehn weitere Gemeinden, wie zum Beispiel Schonach und Furtwangen.

Obervogt Karl Theodor Huber, der sein Amt 1797 antrat, verbreitete nun das Wissen über die sogenannte “feine Strohflechterei” im Herrschaftsbereich, der ihm als landesherrlichen Beamten unterstand. Unterstützt wurde Huber beim Vorhaben, die feinen Techniken zu verbreiten, durch seine Ehefrau Klara. Sie unterrichtete Frauen und Kinder im Flechten von Stroh. Mit der Verbreitung dieses Wissens gewann die Geflechtherstellung auch als Nebengewerbe an Bedeutung.

Schülerinnen und Lehrerin der “Geflechtschule” in Schonach, 1919 (Quelle: http://www.strohmanufactur.de).

Besonders zwischen 1810 und 1880 blühte der Handel mit Stroherzeugnissen im damaligen Schwarzwälder Uhrmachergebiet. Hergestellt wurden vor allem Strohhüte, die zu den Schwarzwälder Trachten getragen wurden, oder Alltagsgegenstände wie Schuhe und Taschen.

Die Großherzoglich Badische Uhrmacherschule und das Stroh

Cölestine Eisele, Geflecht-lehrerin in Furtwangen, mit Strohhut.

Im Jahr 1850 wurde in Furtwangen die Großherzoglich Badische Uhrmacherschule gegründet. Ihr erster Direktor, Robert Gerwig (1820-1885), bemühte sich nicht nur um die Professionalisierung der Uhrmacherei, sondern auch der Strohflechterei rund um Furtwangen.

In den Jahresberichten der Uhrmacherschule der Jahre 1852 bis 1854 veröffentlichte er Anleitungen zum Anbau und zur Verarbeitung von Geflechtstroh. Im Rahmen der Gewerbeförderung trieb Gerwig auch die Ausbildung von Geflechtlehrerinnen für die Gründung neuer Strohflechtschulen voran. Ab 1850 wurden nun in und um Furtwangen solche Schulen gegründet und die Strohflechterei erreichte um 1860 ihren Höhepunkt in der Region.

Strohflechten – Ein Nebengewerbe

Uhrschild mit Darstellung einer Strohflechterin, Furtwangen, 1862 (Ausschnitt).

In der Hochphase der Schwarzwälder Strohflechterei verbrachten Hütekinder ihre Zeit auf der Weide häufig damit, Geflechte anzufertigen. Und mehrere hundert Heimarbeiterinnen belieferten kleine Handeltreibende und später auch große Unternehmen mit Strohbändern, Hüten, Taschen und allerlei sonstigen Gegenständen.

Geflechtherstellung in Heimarbeit (Quelle: http://www.strohmanufactur.de).

Für viele Menschen bedeutete das Gewerbe somit Lohn und Brot. Doch Kammern voll Gold erwirtschafteten sie damit nicht. Denn für den Gegenwert eines einzigen Brotes mussten in schlechten Zeiten mehr als 30 Meter Strohband geflochten werden. Es handelte sich vor allem um eine zusätzliche Erwerbsmöglichkeit für Frauen und Kinder. Das jährliche Einkommen betrug zwischen 30 und 120 Gulden. Zum Vergleich: Ein Uhrmachergeselle verdiente um 1845 pro Tag ungefähr 1 Gulden 24 Kreuzer (1 Gulden = 60 Kreuzer).

Keine „Never Ending Story“

Bereits um 1880, also nicht einmal 100 Jahre nach der Einführung der feinen Strohflechterei durch Obervogt Huber, befand sich das Strohgewerbe schon wieder auf einem absteigenden Ast. Billigere und trotzdem hochwertige Produkte aus Asien sowie die besonders feinen Geflechte aus der Region Wohlen im Aargau oder aus Venetien waren eine zu große Konkurrenz für die im Schwarzwald angesiedelte Strohflechterei. Somit verlor das Strohflechten zunehmend an Bedeutung.

 

Weitere “Objekte des Monats” finden Sie auf unserem Blog. Zum Beispiel die Drei-Kaiser-Uhr, oder einen Zünder für FLAK-Geschosse.

Und wer sich für das Strohflechten interessiert, es vielleicht sogar selbst einmal ausprobieren möchte, findet weitere Informationen auf der Homepage des Fördervereins Schwarzwälder Strohmanufactur Schonach e.V., dem wir an dieser Stelle für die zur Verfügung gestellten Fotografien danken.

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