Solche tragbaren Sonnenuhren sind einfach in Technik und Bedienung. Vielleicht deshalb werden sie etwas herablassend als „Bauernring“ bezeichnet. Wieso es dennoch Sinn macht, sich mit diesem unterschätzten Sonnenuhrtyp zu beschäftigen, erfahren Sie in unserem Blog.
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Zur Geschichte der Ringsonnenuhren
Die Geschichte der Ringsonnenuhren reicht über ein halbes Jahrtausend zurück. Schon die erste handschriftliche Beschreibung von 1486 enthält die Grundkonstruktion aller späteren „Bauernringe“.
Die 1486 beschriebene Sonnenuhr wies zwei Löcher im Ring auf, durch das ein Sonnenstrahl auf die Stundenskala im Innern des Rings fallen konnte. Das eine Loch diente für das Sommerhalbjahr, das andere für das Winterhalbjahr. Um diese zwei Löcher sinnvoll anbringen zu können, waren diese Sonnenuhren in der Größe eines Siegelringes recht breit.
In seinem 1533 auf Latein veröffentlichten Sonnenuhrbuch „Horolographia“ bildete Sebastian Münster (1488-1552) erstmals auch ein Zifferblatt für Ringsonnenuhren im Druck ab (siehe Abbildung links in der Mitte). Ein Exemplar der kostbaren deutschen Übersetzung dieses bahnbrechenden Werks zur Sonnenuhrkunst von 1537 befindet sich auch in der Bibliothek des Deutschen Uhrenmuseums.
Um die unterschiedliche Höhe der Sonne über dem Horizont im Jahresverlauf abbilden zu können, genügte es nicht, jeweils ein Loch im Ring für das Sommer- und Winterhalbjahr anzubringen. Deshalb waren die Stundenlinien auf dem Metallstreifen, der später zu einem Ring gebogen wurde, gegenüber den Außenseiten des Rings schräg verschoben angebracht.
Wann dieser Sonnenuhrtyp soweit vereinfacht wurde, dass er statt zwei Löchern nur noch ein Loch aufwies, ist nicht bekannt. Zur korrekten Einstellung der Sonnenhöhe im Jahreslauf diente nun eine zusätzliche Skala auf der Außenseite mit den Anfangsbuchstaben der Monate. Damit wird der mittlere Metallstreifen mit dem Loch gegenüber der Skala verschoben. Wenn man anschließend den Bauernring in Richtung Sonne drehte, fiel ein Lichtpunkt auf die Stundenskala im Innern. Neben Bauernringen, bei denen sich die Skala in der Wölbung des Ringes befindet, gab es auch solche, bei denen auf der Innenseite ein zusätzlicher Bügel mit der Skala eingesetzt wurde.
Unser Bauernring
Bislang hatten wir nur eine Nachahmung eines Bauernrings in unserer Sammlung, wie wir sie auch in unserem Museumsshop neben Nachahmungen anderer tragbarer Sonnenuhren anbieten. Doch Anfang 2023 ist es uns gelungen, eines der raren originalen Bauernringe anzukaufen.
Die neuerworbene Sonnenuhr besitzt nur ein Loch, und im Innern befindet sich die Stundenskala auf einem Bügel. Sehr schön sichtbar ist, dass der eigentliche Ring aus einem Metallstreifen besteht, den der Hersteller dann rund gebogen und mit Nieten verbunden hat.
Auf dem Bügel der Innenseite ist hinter dem Knick rechts eine herzförmige Punze mit den Initialen IS eingeschlagen. Leider ist auch der Online-Datenbank für Sonnenuhren und andere Wissenschaftlichen Instrumente des Adler-Planetariums nicht bekannt, welcher Sonnenuhrmacher diese Abkürzung verwendet hat.
Auf der Außenseite sind unter anderem die Zahl 47 und die Buchstaben GR zu sehen. Sie verweisen darauf, dass die Sonnenuhr für den Gebrauch entlang des 47. Breitengrads eingerichtet wurde.
Schaut man sich eine Karte von Mitteleuropa an, so konnte der Bauernring folglich in einem Korridor an der heutigen Grenze von Deutschland mit der Schweiz verwendet werden und nach Osten hin in großen Teilen Österreichs von Wien im Norden bis Graz im Süden.
Weitere baugleiche Bauernringe
Die Konstruktion für eine Benutzung entlang des 47. Breitengrads deckt sich mit der Tatsache, dass bereits vor 100 Jahren bei einer Ausgrabung in Valendas (Graubünden) ein fast identischer Bauernring mit der herzförmigen Punze mit den Initialen IS gefunden wurde. Diese Sonnenuhr befindet sich heute im Rätischen Museum in Chur.
Ein weiteres Parallelstück mit derselben Punze wird im Bayrischen Nationalmuseum in München aufbewahrt (Inv. 33/187). Es stammt aus der hochkarätigen Uhrensammlung von Ernst von Bassermann-Jordan. Auf diesem Bauernring ist neben der Abkürzung GR für den Breitengrad die Jahreszahl „1554“ zu sehen.
Wenn diese Datierung wirklich aus der Zeit der Entstehung stammt und nicht später angebracht wurde, so ist das eine kleine Sensation. Denn bislang war man davon ausgegangen, dass Bauernringe mit nur einem Loch nicht bereits im 16. Jahrhundert, sondern erst weit später entstanden seien. Üblicherweise wird das Alter dieser Bauernringe auf den Zeitraum vom späten 17. Jahrhundert bis in das frühe 19. Jahrhundert geschätzt.
Haben wirklich Landleute in großer Zahl Bauernringe verwendet?
Selbst in renommierten Studien wie dem Standardwerk von Ernst Zinner (siehe unten) wird behauptet: „Alle Bauernringe waren sehr verbreitet und dienten, besonders in Österreich, noch im 19. Jahrhundert den Bauern als Uhr.“
Gegen die angebliche Häufigkeit dieser Stücke spricht unserer Meinung nach, dass Bauernringe heute selten sind, rarer als z. B. die kostbaren elfenbeinernen Taschensonnenuhren aus dem 16. und 17. Jahrhundert, wie sie sich auch in unserer Sammlung befinden.
Außerdem wir fragen uns, ob diese Sonnenringe wirklich von Bauern verwendet wurden. Denn schließlich war die Zeitmessung mit Bauernringen nicht sonderlich genau, und es weiß wohl jeder aus eigener Erfahrung, dass einige noch heute auf mindestens eine halbe Stunde genau einschätzen können, wie spät es ist, ohne dafür auf die Uhr schauen zu müssen. Auf dem Lande hätte man deshalb wohl keine solche Sonnenuhr gebraucht. Es bleiben also noch viele Fragen zu beantworten.
Wir suchen nun nach historischen Berichten, die die Benutzung von Bauernringen im Alltag früherer Jahrhunderte beschreiben. Falls Sie eine solche Beschreibung kennen: Wir sind über jeden Hinweis dankbar!
Und wenn Sie gar die Initialen IS des mutmaßlichen Herstellers entschlüsseln können: Nur her mit dieser Information! Auch die Museen in Chur und München werden es Ihnen danken.
Literatur zum Weiterlesen:
Ernst Zinner, Deutsche und niederländische astronomische Instrumente des 11. – 18. Jahrhunderts, 2., ergänzte Auflage, München 1967, bes. S. 120 – 122: Ringsonnenuhr mit Zifferblatt im Innern (Bauernring).