Surrer – ganz besondere Schwarzwalduhren

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts gab es im Schwarzwald mehr und mehr Uhrmacher. Einige bauten bereits Uhren, bei denen für den Stunden- und Viertelstundenschlag nur ein einziges zusätzliches Uhrwerk notwendig war: die Surrer. Was es mit dieser Uhrensorte auf sich hat, lesen Sie heute auf unserem Blog.

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Vorbild Österreich

Die Surrer geben mit ihrem besonderen Schlagwerk zu jeder Viertelstunde zunächst die Anzahl der Viertelstunden an, die seit der letzten vollen Stunde vergangen sind. Anschließend wird die Zahl der vollen Stunden geschlagen. Wer möchte, kann sich diese Schlagfolge durch Ziehen an einem Schnürchen wiederholen lassen. Diese Art der akustischen Zeitangabe wird Vierviertel-Repetierschlag oder Wiener Schlag genannt, denn sie war bei besonders hochwertigen und teuren Uhren aus der Habsburger-Monarchie verbreitet.

Holzrädersurrer, um 1800, Inv. 03-0393. Auf dem Werk die zwei Glocken für den Stunden- bzw. Viertelstundenschlag. Im Zentrum gut zu erkennen: Das Hebnägelrad mit den seitlich angebrachten, unterschiedlich langen Stiften zur Steuerung des Stundenschlags.

Bis zum Wiener Kongress 1815 zählten große Teile des Schwarzwälder Uhrengebietes zu Vorderösterreich. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der Wiener Schlag auch bei den Uhren aus den hiesigen Werkstätten zu finden war. Nur richteten sich die Holzuhren aus dem Schwarzwald nicht an reiche Bürger und Adlige, sondern an preisbewusste Käufer. Um diesen Kunden mit dem Viertelstundenschlag ein Stück Luxus anbieten zu können, bauten die Schwarzwälder Uhrwerke mit dem besonderen Surrer-Mechanismus, der nicht wesentlich aufwändiger war als eine herkömmliche Uhr nur mit Schlagwerk für die Stunden.

Wie erkennt man ein Surrerschlagwerk?

 

Hebnägelrad eines Holzräder-Surrers mit den unterschiedlich langen Stiften, um 1800.

Ein Surrerschlagwerk ist leicht zu erkennen. Von der Seite gesehen, sticht das besonders geformte Hebnägelrad unter den anderen Zahnrädern heraus. Auf der einen Breitseite befinden sich meist zwölf Stifte unterschiedlicher Länge, je nachdem, ob die Stunde einmal oder bis maximal zwölfmal geschlagen hat. Auf der anderen Seite des Hebnägelrades befinden sich weitere drei bis vier Stifte für die Viertelstunden.

Woher kommt der Name „Surrer“?

Surrer geben ein surrendes Geräusch von sich, wenn das Schlagwerk in Aktion ist. Das Surren ist vor allem dann deutlich zu hören, wenn sich das Hebnägelräd weiterdreht, nachdem die Zahl der Schläge für die Stunde bereits abgerufen wurde. Es hält solange an, bis das Hebnägelrad in die Ausgangsposition zurückgekehrt ist, um für den nächsten Glocken-oder Gongschlag gerüstet zu sein.

Der „Leerlauf“ ohne Schlag auf Glocke oder Tonfeder ist einer der Hauptnachteile dieser Konstruktion. Denn dabei verschwendet der Surrer jede Menge Energie. Folglich mussten diese Uhren sehr häufig aufgezogen werden – anfangs jede 12 Stunden, später dann „nur noch“ alle 24 oder 36 Stunden.

So pfiffig die Konstruktion auf den ersten Blick erscheint, indem sie nur ein Getriebe für Stunden und Viertelstunden braucht, so nachteilig wirkt sie sich im Alltag aus, da sie  mehr Aufmerksamkeit braucht als eine Uhr mit zwei seperaten Getrieben für Stunden und Viertelstunden. Vielleicht ist das ein Grund, wieso sich Surrer trotz des Preisvorteils nicht allgemein durchgesetzt haben, sondern eine eher seltene Variante der Schwarzwalduhr blieben.

Surrer mit italienischem Schlag

Besonders in der Frühzeit bis 1800 entstanden auch Holzräderuhren mit Surrer, die die Stunde nur von 1 bis 6 durchzählen. Diese Uhr schlägt folglich z. B. um 8 Uhr nur zweimal. Diese Einteilung der 24 Stunden des Tages in vier Abschnitte mit je einer eigenen Stundenzählung (Vormittag, Nachmittag, Abend und Nacht) war vor allem in den Gebieten südlich der Alpen gebräuchlich. Bei diesem „italienischen Schlag“ ist auch die Abfolge von Stunden- und Viertelstundenschlag meist umgekehrt. Es ertönt dort jede Viertelstunde zunächst die Stunde und erst dann die Viertelstunde. Außerdem werden bei dieser Variante nur die ersten drei Viertelstunden angeschlagen. Die letzte Viertelstunde zur ganzen Stunde wird häufig einfach weggelassen.

Der italienische Schlag hat gegenüber anderen Surrern mit Wiener Schlagzählung 1 bis 12 den Vorteil, dass die Anzahl der Schläge radikal reduziert ist und die Uhr deshalb eine wesentlich längere Laufzeit hat, bevor das Gewicht wieder aufgezogen werden muss. Allerdings blieb die Wirkung dieser Variante mit der ungewöhnlichen Stundenzählung von 1 bis 6 auf die wenigen Regionen begrenzt, in denen der italienische Schlag üblich war.

Klein, kleiner, am kleinsten

Schottenwerk mit Surrer, Gestellhöhe 14 cm, um 1860, Inv. 2017-001

Surrer entstanden in allen Phasen der hausgewerblichen Uhrmacherei im Schwarzwald von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis Ende des 19. Jahrhunderts. Es gibt sie nicht nur als reine Holzräderuhren (bis etwa Anfang des 19. Jahrhunderts), sondern auch in den späteren Holzplatinenwerken mit holzgespindelten Zahnrädern ebenso wie in solchen mit Zahnrädern, bei denen auch die Wellen aus Metall hergestellt wurden.

Auch die Baugrößen der Surrer variierten im Laufe der Zeit. In der Regel handelt es sich um sogenannte normalgroße Uhrwerke mit einer Gestellhöhe zwischen 16 und 20 cm. Als sich Mitte des 19. Jahrhunderts die mittelgroßen Schottenuhren durchsetzten, gab es diese Uhrwerke in einer Höhe von 10 bis 15 cm auch als Surrer.

Und selbst einige wenige Wanduhren aus industrieller Produktion enthielten noch ein Surrerwerk. Im Deutschen Uhrenmuseum ist solch ein Regulator der bedeutenden St. Georgener Uhrenfabrik Matthias Bäuerle von ca. 1900 vorhanden.

Nun konnte das Museum dank der Unterstützung des Fördervereins sogar einen Surrer erwerben, der die Größe eines Jockele-Werks hat. Mit einer Gestellhöhe von 8 cm handelt sich dabei um den kleinsten Surrer, der bislang bekannt geworden ist. Ob damit das Ende der Miniaturisierung erreicht war?

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