Was Uhren über die Gründung des Kaiserreichs erzählen

2021 jährt sich zum 150. Male die Gründung des Deutschen Kaiserreichs von 1871. Ein Grund zum Feiern? Wohl kaum. Aber doch ein Anlass zurückzublicken auf die “Gründerzeit” – und was davon übrigblieb.

So eine Reichsgründung geht nicht von einem Tag auf den anderen vonstatten, auch wenn man sich im Nachhinein gerne an festen Daten orientiert. Die vom preußischen Kanzler Otto von Bismarck in die Wege geleiteten “Einigungskriege” waren die blutige Vorbereitung darauf. Als offizieller Startpunkt galt damals die Verfassung des “Deutschen Reichs”, die am 1. Januar 1871 in Kraft trat. Die berühmte Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles fand aber erst am 18. Januar statt. Und bis die redigierte Verfassung in Kraft trat, dauerte es noch bis zum 4. Mai.

Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871), Anton von Werner, 1877. Das Original des Gemäldes wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Nur Schwarz-Weiß-Photographien sind erhalten geblieben.

Als Weg zur nationalen Einigung blieb besonders der Krieg gegen Frankreich von 1870/71 im Gedächtnis. Sogar manche Kuckucksuhr, die seit den 1850er Jahren im typischen Bahnwärterhäuschen auf dem Markt war, musste als Erinnerungsträger herhalten. Die Inschrift “Zum Andenken 1870” unter dem badischen Wappen genügte da offenbar nicht, militärisches Dekor mit Fahnen, Trommeln, Trompeten und Kanonen musste es schon sein.

Bahnhäusleuhr mit militärischem Dekor, Schwarzwald, nach 1870; Inv-Nr. 2015-075

Eine andere Seite der Erinnerungskultur

Die Erinnerung auf französischer Seite war verständlicherweise weniger positiv oder pompös. Immerhin war die Hauptstadt Paris nicht gefallen. Wie ein Zeichen des Trotzes wurde ein deutscher Blindgänger nach der Belagerung als Trophäe in ein Uhrengehäuse umgewandelt. Die Plakette mit der Inschrift “Siège de Paris” (Belagerung von Paris) erinnert unmissverständlich an das historische Ereignis.

Kaminuhr im Gehäuse einer deutschen Granate, Frankreich, nach 1870; Inv.-Nr. 2016-015

Für Frankreich wurde die Reichsgründung teuer: Fünf Milliarden Francs in Gold mussten als Reparation an Deutschland gezahlt werden. Dieses Geld befeuerte einen kurzen, aber steilen Aufschwung der Wirtschaft, der heute noch als “Gründerzeit” bekannt ist. Auch wenn nach nur zwei Jahren eine ebenso steile Wirtschaftskrise folgte und die Konjunktur noch rund zwanzig Jahre darunter litt, blieb der Begriff “Gründerzeit” landläufig für historistische Stilelemente in Architektur und Kunsthandwerk erhalten.

Uhren der Gründerzeit

Auch die Uhrengehäuse folgten der gründerzeitlichen Mode des Historismus und spielten mit gotischen oder barocken Formen. Einfluss darauf nahm auch die 1877 in Furtwangen gegründete Schnitzereischule, in der viele Facharbeiter für diesen Zweig der Uhrenindustrie ihre Ausbildung erhielten.

Kastenuhr mit Glasschild „Drei Kaiser“

1888 kündigte sich ein Wandel an – drei Kaiser in einem Jahr kam schon den Zeitgenossen als ein denkwürdiges Ereignis vor. Der schnelle Thronwechsel vom greisen Wilhelm I. über seinen Sohn Friedrich zu seinem Enkel Wilhelm II. und das Ende von Bismarcks Kanzlerschaft nur zwei Jahre später markiert aus heutiger Sicht den Beginn eines neuen (und schon des letzten) Abschnitts des deutschen Kaiserreichs. Die Reichsgründung aber blieb eine der kulturellen Klammern, die eine heterogene Nation zunächst zusammenhielt. Mit dem Ende der Monarchie nach 1918 und dem Schritt zur Republik verlor sie schließlich diese Bedeutung.

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