Zeit für den Wagen. Erste Autouhren

Die allerersten Automobile fuhren in Deutschland. Für uns heute erstaunlich: Bis 1900 gab es auf dem Armaturenbrett keine Anzeige der Geschwindigkeit, der Füllhöhe des Tanks oder gar der Zeit. Lesen Sie hier, wieso die Uhren erst so spät in den Wagen kamen.

 

 

Autofahren war anfangs unbequem. Luftreifen und geteerte Straßen gab es noch nicht. Folglich wurden die Insassen mitsamt ihren Taschenuhren kräftig durchgeschüttelt – Gift für die empfindlichen Werke der kleinen tragbaren Uhren. Die großen Herausforderungen an die Robustheit der Zeitmesser wurden dann auch 1912 Gegenstand einer fiktiven Begegnung eines Uhrmachers mit einem Autozubehörhändler. In einem Branchenblatt war zu lesen:

Eines der ersten Autos von Carl Benz, 1895 vom Uhrenfabrikanten Arthur Junghans erworben. Heute ein Highlight im Deutschen Museum München.

„Kürzlich kam ein Herr in meinen Laden, zeigt eine ganz flache Stahl-Kavalieruhr vor und fragte nach dem Preis von etwa 100 Stück solcher Zeitmesser. Die Uhren müßten aber „wurfsicher“ sein. Auf den fragenden Blick meines Gehilfen ging der Herr zum Anschauungsunterricht über, indem er seine Uhr schräg über den Ladentisch warf, sodass sie etwa anderthalb Meter weit flog. „Ja, das müssen die Uhren aushalten können,“ sagte er, „sonst sind sie beim Automobilfahren nicht zu gebrauchen!“ Ich konnte die Garantie für Wurfsicherheit nicht übernehmen, und aus dem Geschäft wurde daher nichts.“

Schutzgehäuse für Taschenuhren im Auto, Patent für Emil Eppner, 1902 (zum Vergrößern klicken)

Bevor Taschenuhren diesen Härtetest überstehen konnten, behalf man sich mit speziellen Schutzgehäusen. Sie sollten Erschütterungen so gut als möglich neutralisieren. 1902 hatte sich der schlesische Uhrenfabrikant Emil Eppner eine „Aufhängevorrichtung für Uhren in Fahrzeugen“ patentieren lassen, bestehend aus „Platten aus elastischem Material, z. B. Gummi, welche die Tragehülse der Uhr aufnehmen und eine federnde Pendelung der Uhr ermöglichen“. Zusätzlich könne man die Stöße abfangen durch eine spezielle „Anordnung von Federn, welche die Uhr nach oben und unten abstützen und ein vertikales Federn der Uhr gestatten.“ Andere Anbieter solcher Gehäuse warben damit, dass die Taschenuhren „in wasser- und staubdichten und diebessicheren Messing-Kapseln“ gesichert seien.

Fahrraduhr mit Klemmvorrichtung “Velo” und Tischuhren mit “Pet-Werk”, Katalog der Hamburg-Amerikanischen Uhrenfabrik, 1895 (zum Vergrößern klicken)

Pionierarbeit bei der Herstellung verlässlicher Fahrzeuguhren leistete die Hamburg-Amerikanische Uhrenfabrik in Schramberg. Bereits 1893 hatte diese Firma eine Uhr mit Klemmvorrichtung für Fahrräder auf den Markt gebracht. Die Uhr mit dem sprechenden Namen „Velo“ enthielt ein Uhrwerk, wie es auch in kleinen Tischuhren und Miniaturweckern verwendet wurde. Das sogenannte Pet-Werk eignete sich für den Einsatz in Fahrzeugen durch die wenig stoßempfindliche Körnerunruh. Ein Werk mit diesem robusten Schwingsystem baute Branchenführer Junghans 1908 in seine erste Autouhr ein.

Aus einer Anzeige für “Sportuhren”, 1914

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg stellten dann bereits mehrere bedeutende deutsche Hersteller eigene Autouhren her; neben Junghans die Weckerfabrik Köhler nahe Nürnberg oder die Taschenuhrfabrik der Gebrüder Thiel im thüringischen Ruhla. Im Innern der Uhren tickten immer noch Pet-Werke, mehr und mehr aber speziell für den Einsatz im Auto entwickelte Werke in der Größe von Taschenuhren.

 

Wie es mit den Autouhren im Zeitalter der Elektronik weiterging, können sie hier lesen: Ein unbekannter Uhrenpionier

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