Wie sammelt ein passionierter Uhrensammler? Und wie unterscheidet sich das von der Strategie einer öffentlichen Sammlung? Vergleichen Sie selbst! Mario Reinsch, Uhrensammler und Blogger, stellt uns heute sein Hobby und seine Motivation vor. Im Anschluss erläutert Johannes Graf, stellvertretender Direktor des Deutschen Uhrenmuseums, worauf es einem Museum beim Sammeln ankommt.
„Uhren gehörten schon immer zu meinen größten Hobbies.“
„Mein Faible für Uhren habe ich sicherlich von meinem Vater, der ebenfalls der tickenden Leidenschaft nachgeht. Zunächst habe ich mit Quarz-Modellen bekannter Modemarken wie Fossil und Diesel meiner Sucht gefrönt. Mein Herz schlägt mittlerweile aber vor allem für drei Dinge:
- mechanische Uhren (Automatik oder Handaufzug),
- eine spannende Historie hinter Uhren-Marken bzw. Modellen und
- als Wahl-Schwabe natürlich auch ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.
So kommt es, dass ich mittlerweile einige günstigere Einsteigermodelle mit mechanischen Uhrwerken besitze, darunter die Seiko Turtle, die eine spannende Historie als Militäruhr und auf der Leinwand vorweisen kann.
Darüber hinaus darf ich auch ein paar hochwertige Klassiker mein Eigen nennen, z.B. eine Omega Speedmaster Moonwatch, welche 1965 die strengen Tests der Raumfahrtbehörde NASA bestand und im Juli 1969 die erste Uhr war, die auf dem Mond getragen wurde.
Die Moonwatch war bei einem Weltraum-Ereignis sogar ein wahrer Lebensretter: Bei der Apollo 13 Mission im Jahre 1970 explodierte ein Sauerstofftank an Bord des Raumschiffs Odyssey („Houston wir haben ein Problem!“) und um wieder gesund und munter zur Erde zurückkehren zu können, musste die Crew die Zünddauer der Triebwerke höchstpräzise abmessen.
Hierbei kam die Omega Speedmaster Moonwatch zum Einsatz, die einen zuverlässigen Job machte. Die Beinahe-Katastrophe hatte ein glückliches Ende: Die Kommandokapsel der Apollo 13 landete sicher im Pazifik. Omega erhielt für die Moonwatch daraufhin den imageträchtigen Silver Snoopy Award von der NASA. Es verwundert also nicht, dass die Omega Moonwatch nach wie vor einer der berühmtesten Chronographen der Welt ist.
Mein persönliches Umfeld schüttelt in Anbetracht der Preise für so manche meiner Uhren oftmals nur den Kopf: Wie kann man nur so viel Geld für eine Uhr ausgeben? Nun, Uhren können natürlich ein teures Hobby sein, aber so ist das nun mal mit Hobbys: Man gibt dafür einfach gerne Geld aus, egal ob es sich nun um Modelleisenbahnen, eine Münzsammlung, Briefmarken, das Tuning des Autos oder oder oder handelt…
Jetzt könnte man sich natürlich fragen: Wer braucht aus funktionaler Sicht heutzutage überhaupt eine mechanische Armbanduhr mit ein paar Zeigern, die die Zeit anzeigen und mit der man vielleicht noch die Zeit stoppen oder den Wochentag ablesen kann?
Smartwatches können doch so viel mehr! WhatsApp, E-Mail, Schrittzähler, Navigation – alles am Handgelenk. Der Siegeszug scheint kaum noch zu stoppen. Tatsächlich ist das aus meiner Sicht allerdings (milde ausgedrückt) ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen: Eine hochwertige mechanische Uhr kann man quasi ewig in Schuss halten (Revisionen, Reparaturen). Sie ist langlebig und erzählt Geschichten, während eine Smartwatch keine Emotionen bei mir hervorruft und nach wenigen Jahren reif für den Elektroschrott ist. Eine mechanische Uhr sehe ich vor allem als Schmuckstück und Wegbegleiter in allen möglichen Lebenssituationen – die Anzeige der Zeit ist für mich eher nebensächlich (ich stelle zum Beispiel so gut wie nie das Datum meiner Uhren ein, da ich dieses sowieso am PC oder am Smartphone ablese).
Aber auch ich konnte mich dem Smartwatch-Hype nicht ganz entziehen. Mittlerweile setzen auch einige traditionelle Hersteller mechanischer Uhren wie TAG Heuer oder Montblanc auf die smarten Zeitmesser. So kam es, dass ich vor einiger Zeit die TAG Heuer Connected getestet habe. So richtig ist der Funke aber nicht übergesprungen. Mir ist bewusst, dass ich mein Smartphone viel zu oft vor der Nase habe, das ist mit der TAG Heuer Connected aber nicht weniger, sondern eher mehr geworden. Manchmal braucht es dann doch etwas Entschleunigung und die Freude an einem Stück Feinmechanik am Handgelenk…“
Mario Reinsch ist Autor des unabhängigen, privaten Uhren-Blogs chrononautix.com. Unter dem Motto „ohne Schickimicki“ beschäftigt er sich seit Anfang 2016 insbesondere mit kleineren Uhren-Marken, dem Uhrenmarkt im allgemeinen und spannenden geschichtlichen Hintergründen.
Und als Museum? Darüber schreibt Johannes Graf, stellvertretender Direktor des Deutschen Uhrenmuseums:
„Wenn ich mit Connaisseuren über unsere Kollektion von 1100 Armbanduhren spreche, springt der Funke selten über. Denn darunter befinden sich nur wenige, die die Augen von Privatsammlern zum Glänzen bringen. Bei einigen Uhren, die mich zum Schwärmen bringen, schlägt mir häufig Unverständnis entgegen. Wie kommt das?
Das Museum hat Armbanduhren nie ausschließlich als Schmuckstücke gesammelt, sondern als Ausdruck eines Lebensgefühls. Auch wir besitzen einige prestigeträchtige Luxusprodukte. Doch diese sind im Museum gleichberechtigt neben dem „Plastikschrott“ aus dem Discounter ausgestellt, der sich an Leute mit weniger gefülltem Geldbeutel richtet.
Uhren aus den Pionierphase der Armbanduhr sind uns wichtiger als „Klassiker“, die heute noch auf dem Markt sind. Zum Beispiel haben auch wir einige Exemplare der typischen Rolex Oyster, dem Inbegriff der teuren Armbanduhr. Ausgestellt ist aber ein eher untypisches Stück von 1928, weil es ganz am Beginn der wasserdichten Uhr steht.
Einen Schwerpunkt unserer Sammlung bilden die ersten elektronischen Armbanduhren. Schließlich zeigen sie einen grundlegenden Wandel der gesamten Branche. Als Schlüsselstück dafür gilt uns eine Seiko – in diesem Fall eine Seiko Astron. Diese weltweit erste Quarzarmbanduhr wurde Weihnachten 1969 in Tokyo in einer Kleinserie von 100 Stück verkauft. Der Preis einer Uhr lag bei stolzen 460.000 Yen, was damals dem Gegenwert eines Toyota Corolla entsprach. Heute sind weniger als eine Handvoll originale Astron erhalten geblieben – eine davon bei uns.
1970 ging das erste Schweizer Quarzuhrwerk mit der Bezeichnung „Beta 21“ in Serie. Es wurde von unterschiedlichen Uhrenfirmen eingeschalt, darunter auch von Omega. Unter diesem Blickwinkel ist uns die Electroquartz von ca. 1970 deshalb wichtiger als eine – zugegeben – reizvolle Moonwatch.
Mein Fazit: Elektroschrott kann ausgesprochen sexy sein, auch wenn er noch nicht 50 Jahre alt ist. Und deshalb flirten wir bereits mit den ersten Smartwatches.“
Dies ist der erste Artikel unseres Blogs, der sich mit Armbanduhren beschäftigt. Interessiert Sie das Thema? Haben Sie Wünsche, worüber wir berichten sollen? Dann schreiben Sie uns doch einen Kommentar – wir freuen uns über Ihre Anregungen!
Ein Kommentar zu „Vom Uhrensammeln“