Was hat es mit der Reichs-Kolonial-Uhr auf sich?
Immer wieder werden wir nach besonderen Uhren gefragt, die man im Deutschen Uhrenmuseum unbedingt gesehen haben sollte. Aus diesem Grund gibt es die „Zwölf Glanzstücke“.
Einige unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellen hier ihren Favoriten vor. Unser Museumspädagoge Robert Werner hat die Reichs-Kolonial-Uhr als sein liebstes Stück gewählt.
Herr Werner, warum gefällt Ihnen die Reichs-Kolonial-Uhr besonders gut?
Die Reichs-Kolonial-Uhr vereint sehr viele verschiedene Betrachtungsmöglichkeiten, das finde ich spannend. Deutlich kann man die politische Dimension erkennen. Andererseits zeigen sich auch andere spannende Aspekte der Epoche, etwa beim Design oder den sozialen Hintergründen.
Was hat es denn eigentlich mit der politischen Dimension auf sich? Kolonial-Uhr und „Kein Sonnenuntergang in unserem Reich“ klingt ja schon sehr nach Expansion.
Ja, das stimmt. Der Slogan „Kein Sonnen-Untergang in unserem Reich“ deutet den Traum von einem Kolonialreich an, das die ganze Welt umspannt. Denn dann würde ja immer ein Teil des Reiches auf der Seite der Erde liegen, auf der gerade Tag ist.
Die Aussage „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser“ steht außerdem für die zunehmende Bedeutung des Flottenausbaus im Deutschen Reich seit den 1850er Jahren. Die Konkurrenzfähigkeit der Flotte war eine wichtige Voraussetzung, um sich als Kolonialmacht durchzusetzen. Denn die kolonisierten Gebiete waren fast nur auf dem Seeweg zu erreichen.
Politisch und sozial fällt die Uhr also in die Blütezeit des deutschen Kolonialismus. In praktisch allen Schichten der Gesellschaft zeigte sich damals eine große Begeisterung für die weilweite beziehungsweise koloniale Expansion.
Wie hat sich diese Begeisterung geäußert und was hat sie mit der Uhr zu tun?
Kolonialismus und Marine ließen sich „popkulturell“ gut vermarkten. Beispielsweise waren kleine Matrosenanzüge für Kinder beliebt. Auch die Industrie stellte bestimmte Produkte her, die zu den Themen passten. Dies bewog die Badische Uhrenfabrik in Furtwangen, eine „Deutsche Reichs-Kolonial-Uhr“ zu entwerfen. Deutschland, so suggeriert die Uhr, hätte seinen „Platz an der Sonne“ gefunden.
Menschen, die den aktuellen politischen Kurs gut fanden und das nötige Kleingeld hatten, haben sich solch eine Uhr dann möglicherweise zur Dekoration in ihren Wohnräumen aufgehängt. Sie konnten nun immer erkennen, wie spät es in welchem Bereich des Kolonialreichs gerade war. Denn auf dem inneren Ziffernring sieht man die aktuellen Tageszeiten der deutschen Kolonien. Man könnte also sagen, dass die Uhr Ausdruck der aktuellen Politik und Mode war.
Apropos Mode: Sie haben erwähnt, dass die Uhr in die Epoche des Jugendstils fällt. Was meinen Sie damit?
Um 1900 war der Jugendstil eine neue und dynamische Kunstrichtung. Dazu gehörten organische, geschwungene Linien oder von der Natur inspirierte Formen. Ich mag den Stil persönlich sehr gerne, weil er noch einmal eine dekorative Richtung darstellt, bevor sich später die schlichten, klaren Formen der klassischen Moderne durchsetzen.
Sind Sie neugierig geworden? Dieses und weitere „Glanzstücke“ gibt es im Deutschen Uhrenmuseum zu sehen. Falls Sie Teil I der Serie verpasst haben, finden Sie diesen hier. Und da Teil III mittlerweile auch schon online ist, können Sie darüber hier nachlesen.
Ein Kommentar zu „Glanzstücke im Deutschen Uhrenmuseum (Teil II)“