Xaver im Uhrenland – Autorin Heidi Knoblich über ihr neues Kinderbuch

 

Heidi Knoblich stellt Ihr Kinderbuch am 13. Oktober um  19 Uhr im Café Goldene Krone in St. Märgen vor.

Unter all den Schwarzwälder Uhrmachern und Uhrenhändlern, die einst in aller Herren Länder zogen, hoben sich jene, die in England ihre Geschäfte tätigten, besonders hervor. Weil sie fortan die aus England mitgebrachten Sitten wie das Teetrinken und den Gebrauch der englischen Sprache zelebrierten, nannte man sie „Schwarzwald-Engländer“.

Heidi Knoblich hat ein Weihnachtskinderbuch über diese schillernden Schwarzwälder geschrieben: „Xaver im Uhrenland – Weihnachten bei den Schwarzwald-Engländern“.  

„Vor langer Zeit gingen Männer aus dem Schwarzwald mit prächtig bemalten Uhren auf dem Rücken über Berg und Tal. Sie waren Uhrenhändler und verkauften Uhren in den großen Städten wie Freiburg oder Straßburg. Viele von ihnen zog es auch in die weite Welt hinaus. Wenn man sie dann fragte, wohin sie reisten, sagten sie alle: „Ins Uhrenland!“ Das Uhrenland war jedoch auf keiner Weltkarte zu finden. Es war immer genau da, wo sie ihre Uhren verkauften – in Amerika, Frankreich, Australien oder England…“  Heidi Knoblich

The past is a foreign country; they do things differently there.” (Die Vergangenheit ist ein fremdes Land; es gelten dort andere Regeln.) L. P. Hartley

Das Leben der Schwarzwälder Uhrenhändler auf den Straßen Europas befeuerte schon Mitte 19. Jahrhundert die Phantasie der Daheimgebliebenen. (Inv. 18-2032)

Das fremde Land Vergangenheit hat mich erneut in seinen Bann gezogen und mich zu einer besonderen Reise verführt – zu einem Armchair Travelling in die Welt der einst so berühmten Schwarzwald-Engländer aus St. Märgen und ihren Wooden Black Forest Clocks. Und mitten hinein in das turbulente London von Queen Victoria, Queen Elizabeths II. Ururgroßmutter. Daraus ist mein neues Weihnachtskinderbuch entstanden und dies ist nun die Geschichte:

Xaver aus dem Uhrendorf St. Märgen will Uhrenhändler in London werden, ein Schwarzwald-Engländer wie Onkel Johann. Hirtenjungen können aber keine Uhrenhändler werden, sagen die zurückgekehrten reichen Händler, die beim Kronenwirt von ihren Abenteuern im Uhrenland erzählen. Doch eines Tages nimmt ihn Onkel Johann als Gehilfen nach London mit. Der Vater aber hat eine Bedingung: Bis Weihnachten muss Xaver beweisen, dass er für den Uhrenhandel taugt, sonst muss er daheim wieder Kühe und Ziegen hüten. Doch dann passiert ihm vor Weihnachten ein großes Missgeschick. Ob ihm Vicky, deren Schwarzwälder Großvater ein Uhrengeschäft an der London Bridge besitzt, aus der Not helfen kann? Eine Geschichte über Heimweh und Freundschaft im weihnachtlichen London aus der Zeit von Queen Victoria. 

Um sich bis ins Detail in die Lebenswelt der Figuren hineinzuversetzen, braucht es nicht nur viel Empathie und Fantasie, sondern auch einen gesicherten Boden der Tatsachen. Unzählige essentielle Fragen tauchen auf wie zum Beispiel:

Wie lebte man um 1840 im Schwarzwald und wie in London, der damals größten Stadt der Welt und wichtigstem Handelszentrum? Dass zu dieser Zeit Londons Wahrzeichen Big Ben und Tower Bridge noch nicht vorhanden waren, weil sie erst später erbaut worden sind, wusste ich noch von meinen Recherchen für mein Bühnenstück „Die Schwarzwald-Engländer“, das ich für St. Märgen schrieb und das 2004 und 2005 erfolgreich aufgeführt wurde. Big Ben und die Tower Bridge durften also weder im Text noch auf den Illustrationen vorkommen. Auf der Suche nach Antworten auf die Lebensumstände in jenem London stieß ich auf eine erste Form von Street Food und Fast Food und dem heute weltweit beliebten „Coffee To Go“.  Zu meinem großen Erstaunen stellte sich auch heraus, dass zu jener Zeit in England sowohl der Christbaum als auch Weihnachtsgeschenke noch völlig unbekannt waren. Erst Queen Victorias deutscher Ehemann Prinz Albert brachte diese Tradition nach England.

Das Leben als Uhrenträger war meist gar nicht so idyllisch wie auf diesem Kupferstich. (Inv. 1995-665)

Wo für die Uhrenwelt die Fachliteratur keine Antwort gab, wusste Prof. Eduard C. Saluz, Direktor des Deutschen Uhrenmuseums in Furtwangen, Rat. Er klärte mich über die damaligen Handelsbedingungen auf und korrigierte sogleich auch das heute romantisierte Bild der Schwarzwälder Uhrenhändler. Es war eben nicht so, wie vielfach angenommen, dass die Händler, die ins Ausland gingen, mit ihren Uhren als erstem Kapital auf dem Rücken loszogen und sich so den Unterhalt und die Reise verdienten. Laut Prof. Saluz durften sie ihre Uhren erst an Ort und Stelle verkaufen, in meinem Fall in London, in dem ihnen zugewiesenen Gebiet. Hierfür mussten sie zunächst einen Gewerbeschein erstehen.

Dass die Händler ohne ihre Uhren loszogen, war auch für die Illustratorin des Buches, Martina Mair aus München, wichtig zu beachten: Xaver und Onkel Johann durften beim Abschiednehmen im Schwarzwald auf keinen Fall schon eine Uhrenkrätze auf dem Rücken tragen.

Wie kamen Onkel Johann und Xaver denn dann zu ihren Uhren? Sie ließen sich diese halbfertig montiert vom Kronenwirt schicken, einem wichtigen Mann im Uhrengeschäft. Von der Arbeit an meinem vorgenannten Bühnenstück wusste ich, dass meist Wirte als „Packer“ tätig waren und ihre Wirtsstube als Börse diente. Dem Kronenwirt darf Xaver in meiner Geschichte beim Verpacken und Verschicken der Uhren helfen. So gewinnt er wichtige Einblicke in das Uhrengeschäft.

Dass diese Uhren aus Holz gefertigt waren, machte sie so preisgünstig und konkurrenzfähig. Doch die Konkurrenz in London war groß. Allein hier suchten in der Zeit, in der meine Geschichte spielt, an die 200 Schwarzwälder Uhrenhändler nach Erfolg.

Einige aus dem Schwarzwald stammenden Uhrenhändler wie Kammerer und Kuss hatten erfolgreich in London Fuß gefasst.

Onkel Johann verkauft im Umland von London in der Regel Achttageuhren. Laut Prof. Saluz kostete eine solche Uhr seinerzeit rund 4 Gulden; eine 24-Stundenuhr etwa die Hälfte. Ein Uhrmachergeselle im Schwarzwald verdiente etwa 1 Gulden 24 Kreuzer, ein Holzhauer 1 Gulden, Tagelöhner 48 Kreuzer. Die Lebenshaltungskosten einer kleinen Familie (Eltern, 3 Kinder, Großvater) betrugen in Xavers Zeit 1 Gulden 20 Kreuzer pro Tag bei sparsamster Lebensweise. Xaver muss das wissen, denn er wird in eine Situation kommen, in der ihn jemand „über den Tisch ziehen“ möchte. Nicht alle in England meinen es gut mit ihm.

Und da sich Xaver bis Weihnachten als Uhrenhändler beweisen muss, hatte ich als Autorin die herzzerreißende Aufgabe, seinen leidenschaftlichen Bemühungen um seinen größten Traum etwas Herbes entgegensetzen – ein größtmögliches Missgeschick an einer fremden und kostbaren Uhr mit einem Uhrwerk, das sich von dem der Schwarzwälder Uhren stark unterscheidet. Doch welche Sonderheit könnte das sein und was für ein Fehler könnte Xaver bei der Reparatur unterlaufen? Und schließlich – wie findet er aus seinen Nöten bloß wieder unbeschadet heraus?

Daraus ergab sich eine nächste Frage: Wie unterscheidet sich denn das Innenleben einer Schwarzwälder Uhr überhaupt von einer englischen oder gar schottischen Uhr? Den Ausgang von Xavers Geschichte will ich hier noch nicht verraten. Doch so viel sei gesagt: Prof. Saluz gab mir einen guten Tipp!

Heidi Knoblich

Aufgepasst!

Heidi Knoblich präsentiert ihr neues Weihnachtskinderbuch „Xaver im Uhrenland – Weihnachten bei den Schwarzwald-Engländern“ (Silberburg-Verlag Tübingen) am 13. Oktober 2017 um 19 Uhr an einem Originalschauplatz – im Café Goldene Krone in St. Märgen. Im Anschluss laden die Gemeinde St. Märgen und die Hochschwarzwald Tourismus GmbH zu einem Umtrunk ein. Der Eintritt ist frei.

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