Wie lang ist eine Sekunde?

Die Sekunde gehört zu den Standardeinheiten, mit denen physikalische Größen gemessen werden – in diesem Fall die Zeit. Doch wer legt fest, wie lange eine Sekunde dauert? Und wie lang (oder kurz) ist eine Sekunde überhaupt?

Es gibt sieben physikalische Basisgrößen: Neben der Zeit sind das Länge (in Metern), Masse (in Kilogramm), Stromstärke (in Ampere), Temperatur (in Kelvin), Stoffmenge (in Mol) und Lichtstärke (in Candela). Die Einheiten dieser Größen sind im Internationalen Einheitensystem festgelegt und bilden das Grundgerüst für alle möglichen Arten von Messungen. Wie wird nun aber die Größe einer solchen Standard-Einheit (in unserem Fall: die Dauer einer Sekunde) ermittelt?

 

Vom Bruchteil eines Tages…

Bis ins 20. Jahrhundert war die Sekunde der Bruchteil eines mittleren Sonnentages. Im Laufe der Entwicklung der menschlichen Zivilisationen und Gesellschaften wurde es immer wieder nötig, die großen, natürlich erfahrbaren Zeiträume künstlich zu unterteilen. Für den organisierten Tagesablauf in einer großen Stadt genügte es irgendwann nicht mehr, nur noch zwischen Tag und Nacht oder Vormittag und Nachmittag zu unterscheiden.

Gipsmodell einer antiken Hohlflächensonnenuhr, Ch. A. Sediq, Ettenheim, 1992 (Inv. Nr. 1995-683)

Seit der Antike gibt es in Europa 12 Stunden für die Einteilung des (Licht-)Tages. Erst im Mittelalter gab es unter Gelehrten die Überlegung, eine Stunde in kleinere Abschnitte zu unterteilen – allerdings in philosophischem Zusammenhang und nicht zur alltäglichen Nutzung. Weder gab es Uhren, die genau genug waren, um Minuten genau abzumessen, noch war es nötig, minutengenau irgendwo zur Stelle zu sein.

 

Skizze einer Pendeluhr, deren tägliche Gangabweichung nur wenige Sekunden betrug, aus: Christiaan Huygens: Horologium Oscillatorium, Paris 1673 (Ein Klick vergrößert die Ansicht)

Der lateinische Begriff „pars minuta“, von dem sich der Name der heutigen Minute herleitet, bedeutet einfach „verminderter Teil“ und meinte den sechzigsten Bruchteil eines Ganzen, in diesem Fall von einer Stunde. Wird dieser Bruchteil noch einmal in sechzig gleiche Abschnitte unterteilt, ergibt das einen „zweifach verminderten Teil“ oder lateinisch „pars minuta secunda“ – der Namensursprung der Sekunde.

Mit der Verbreitung genauerer Uhren ab dem späten 17. Jahrhundert wurde die Sekunde als Maßeinheit tatsächlich relevant. Für die Naturwissenschaften erschloss sich mit den genaueren Messinstrumenten eine Vielzahl neuer Erkenntnisse. Doch die Sekunde blieb im Grunde, was sie schon vorher war: Der 3600ste Bruchteil einer Stunde, die wiederum der 24. Bruchteil eines mittleren Sonnentages war.

 

…zum Vielfachen einer Schwingung

Für die tägliche Zeitbestimmung war bis ins 20. Jahrhundert die regelmäßige Drehung der Erde um ihre eigene Achse die Ausgangsgröße (oder Referenzgröße). Erst mit der Erfindung der hochpräzisen Quarzuhr gelang es in den 1930er Jahren zum ersten Mal, eine Maschine zu bauen, die gleichmäßiger lief, als die Erde sich um sich selbst drehte. Das führte dazu, dass die von der Natur abgeleitete Zeit (Unterteilung des Tages) von der künstlich ermittelten Zeit (aus der Quarzuhr) abwich.

Riesige Apparatur auf zwei Tischen: Die ersten deutschen Quarzuhren nahmen viel Raum ein. Photographie um 1935 (Archiv Deutsches Uhrenmuseum)

Es war also an der Zeit, die Länge einer Sekunde neu zu definieren. Dies geschah 1967: Inzwischen waren erste Atomuhren entstanden, die die Eigenschaften von Atomen für die Zeitmessung nutzten. Sehr verbreitet waren und sind Atomuhren, bei denen die Übergänge zwischen den Energieniveaus von Caesium-Atomen gemessen werden. Dieser Übergang von einem Energieniveau zum anderen findet statt, wenn die Caesium-Atome einer Mikrowellenstrahlung von exakt 9.192.631.770 Hz ausgesetzt werden  – oder in einem Wort

Neunmilliardeneinhundertzweiundneunzigmillionensechsunderteinunddreißigtausendsiebenhundertundsiebzig Schwingungen pro Sekunde.

Ganz schön viele Schwingungen für so eine eigentlich kurze Sekunde, nicht wahr?

Blick ins Innere einer Caesium-Atomuhr. Modell hp 5061A, Hewlett Packard, um 1970 (Inv. Nr. 1995-597)

Aber damit nicht genug. Seit der Definition der Sekunde 1967 konnte die Genauigkeit, mit der eine Sekunde bestimmt wird, noch einmal um weit mehr als das 100.000fache gesteigert werden. Diese Präzision liegt jenseits jeder Vorstellungskraft. Denn die theoretische Abweichung einer Atomuhr nähert sich einem Wert, der einer Sekunde seit der Entstehung des Weltalls entspricht.

 

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