Wer gestern den Blick gen Nachthimmel gerichtet hat, konnte einen ungewöhnlich großen Vollmond sehen. Auf seiner Bahn um die Erde war uns unser natürlicher Satellit so nahe wie lange nicht. Allerdings ist der scheinbare Größenunterschied nicht immer gut sichtbar. Leichter ablesen lässt sich dieses Ereignis an einer ganz besonderen Uhr in unserem Museum.
Astronomie und Zeitmessung gehörten für Jahrhunderte eng zusammen. Bis heute ist unsere übliche Zeiteinteilung in Jahre, Monate und Tage von astronomischen Beobachtungen abgeleitet. Umgekehrt zeigen manche Uhren als eine Art „Zusatzfunktion“ ein verkleinertes Abbild der kosmischen Phänomene. Eine außergewöhnliche Arbeit ist allerdings die astronomische Kunstuhr des Uhrmachermeisters Hans Lang (1924-2013), die er nach vielen Vorarbeiten zwischen 1982 bis 1986 gebaut hat. Hier steht die Astronomie im Mittelpunkt – sogar buchstäblich, denn die zentrale Anzeige ist ein Modell der Mondphasen.
Bei vielen unserer Besucherinnen und Besucher ruft der Anblick dieser Uhr Staunen und Bewunderung hervor, nicht nur aufgrund ihrer Größe, sondern auch wegen ihrer Komplexität und der zahlreichen astronomischen Anzeigen. Ohne ein wenig Grundwissen in der Astronomie bleibt deren Bedeutung meistens verschlossen. Doch manche Gelegenheiten, wie der gestrige „Supermond“, geben Anlass, die Geheimnisse der Uhr zu entdecken. Denn während der Vollmond am Himmel nur bei genauer Beobachtung und im Vergleich mit anderen Mondansichten größer erscheint, ist das Ereignis, nämlich die ungewöhnliche Nähe zur Erde, an einer Stelle der Uhr abzulesen.
Im linken Feld der Uhr befindet sich eine Anzeige, an der die Position von Sonne und Mond aus geozentrischer Sicht abgelesen werden kann. Jeweils ein Zeiger mit Sonnen- und mit Mondymbol zeigen den aktuellen Stand an. Auch wenn sich natürlich in Wirklichkeit die Erde um die Sonne dreht: Aus der Perspektive von unserem Planeten sieht es nun einmal so aus, als würde sich die Sonne um uns drehen. Ein Oval aus poliertem Stahl zeigt mit zwei entgegengesetzten Zeigern A und P den erdfernsten (Apogäum) und erdnächsten (Perigäum) Punkt der Mondumlaufbahn. Wenn nun der Mondzeiger über dem P steht wissen wir: Der Mond ist uns so nahe wie sonst nie – und erscheint deshalb auch größer als sonst.
Eine Lebensaufgabe für Hans Lang
Über 25 Jahre Arbeit steckten in der Planung und Ausführung dieses Projektes. Hans Lang investierte eine unglaubliche Mühe und Hingabe in jedes noch so kleine Detail dieser Uhr, um alle astronomischen Erkenntnisse und Abweichungen möglichst genau durch mechanische Mittel umzusetzen und sichtbar zu machen. Glücklicherweise hat er die Uhr genau dokumentiert, sodass wir gut über die Technik und Hintergründe informiert sind. Einen Eindruck der Präzision gibt etwa seine Beschreibung der Abweichung der Mondanzeige im Vergleich zur Natur:
„Die synodische Umlaufzeit des Mondes (synodischer Monat) beträgt 29,5305887152 Tage […]. Der technisch erreichte Wert ist 29,530588141 Tage […]. Sie Abweichung beträgt pro Jahr 0,10568634472 Sekunden; in eintausend Jahren wird sie einen Betrag von 1 Minute und 45,7 Sekunden erreichen.“
Hans Lang: Die Hans-Lang-Uhr. Eine astronomische Kunstuhr der Superlative, Furtwangen 2004, S.25.
Ob unsere Nachkommen in eintausend Jahren noch die Abweichung der Hans-Lang-Uhr überprüfen können, wissen wir nicht. Aber zumindest der Vergleich mit einer herkömmlichen Mondphasenanzeige im Laufe eines Jahres zeigt: Wo die Hans-Lang-Uhr eine Abweichung von ca. 0,1 Sekunden hat, beträgt diejenige einer „normalen“ Uhr schon 43 Minuten.