Renaissance 2.0

Galvanoplastische Kopie einer Tischuhr von Jeremias Metzker (Augsburg 1564), Inv. 33-2177.

Wirtschaftswachstum und Börsencrashs, Fortschrittsglaube und Traditionsbewusstsein, alte und neue Eliten. Das gab’s schon früher! Drastische Veränderungen prägten auch das 19. Jahrhundert und viele suchten Halt und Orientierung in der Vergangenheit. Sinnbildlich hierfür steht die Uhr: Das galvanoplastisch kopierte Gehäuse ist mit damals modernen Produktionsmethoden hergestellt. Das Design entspringt jedoch der Renaissance.

 

Galvanoplastische Kopie – Was heißt das?

Die galvanoplastische Kopie aus dem 19. Jahrhundert.

Das sogenannte Galvanisieren war Mitte des 19. Jahrhunderts eine neuartige Methode, um metallische Gegenstände zu reproduzieren. Zunächst musste das Modell – in unserem Fall die Uhr – beispielsweise aus Wachs abgeformt werden.

Nun war es möglich, diese Form mit Hilfe von Elektrizität und ausgewählten Materialien mit einer dünnen Metallschicht zu überziehen. War dieser Schritt erfolgreich, mussten nur noch das Wachsmodell entfernt und die abgeformten Teile je nach Wunsch veredelt und zusammengesetzt werden. Fertig war die Kopie!

Eine Uhr für das Bürgertum des 19. Jahrhunderts

Bei der galvanoplastischen Nachbildung einer Renaissance-Uhr gingen viele Funktionen verloren. Hätte man diese mit übernommen, wäre die Uhr für ihre Käufer auch zu teuer geworden: Das deutsche Bürgertum des 19. Jahrhunderts.

Dessen Geschmack war mit der Kopie jedoch genau getroffen. Denn das ideale Vorbild der Gesellschaftsschicht waren die freien deutschen Handelsstädte der Renaissance mit ihren mächtigen Zünften und ihrer wirtschaftlichen Stärke.

Historismus 2.0?

„The Retro Design Toolbox“ bietet Schriften und Grafiken ganz im Stil der 50er und 60er Jahre.

Auch heute erinnern wir uns gerne an vergangene Zeiten: Sideboards mit „nostalgischem Charme“ und „retro-style“ Ohrensessel erinnern an die 50er Jahre oder die „swinging Sixties“. Die vermeintlich heile Welt der Vergangenheit, in der vieles noch ein bisschen besser gewesen sein soll, hält so Einzug in unseren Alltag.

Und ist das nicht auch ein Rückbezug auf vergangene Zeiten und Suche nach Identität – ein bisschen Historismus 2.0?

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