Eine sehr spezielle „Kerzenuhr“

In unserer beliebten Sommerwerkstatt werden ab 27. Juli Kerzenuhren angefertigt. Markierungen auf der Kerze zeigen, wie lange sie brennt, bis eine Stunde vergangen ist. Bei diesem prächtigen Blechwecker dient die Kerze jedoch einem anderen Zweck.

Babywecker

Blechwecker waren das Brot- und Buttermodell der noch jungen Uhrenindustrie: Zwischen 1890 und den 1930er Jahren wurden im Schwarzwald Millionen dieser Wecker hergestellt. Die überwiegende Zahl hatte ein rundes Blechgehäuse, das von Pressen in die passende Form gezogen worden war. Oben drauf thronte eine Glocke. Das Design hat der Schwarzwald aus dem Mutterland der industriellen Arbeitsweise, den Vereinigten Staaten, übernommen. Auch den Namen „Baby“ hatten die Schwarzwälder dreist von einer amerikanischen Uhrenfabrik kopiert.

Blechwecker mit Kerze und Streichhölzern, Kienzle, Schwenningen, um 1908, Inv. 2022-043

Im Innern der Blechwecker tickte ein Werk mit durchbrochenen Messingplatinen, damit ja nicht zu viel des teuren Rohmaterials verbraucht wurde. Hergestellt wurden die Einzelteile für das „Amerikanerwerk“ arbeitskräftesparend von Spezialmaschinen. Auch die Montage sollte möglichst leicht und schnell vonstattengehen. Insgesamt steckte nicht mehr als eine halbe Stunde Arbeitskraft in einem solchen Wecker. Folglich waren Wecker verglichen mit anderen Uhrentypen konkurrenzlos günstig.

Tausenderlei Varianten

“Schalmei mit Leuchter” (Sortimentskatalog 1908)

Die Grundform des Babyweckers mit einer Glocke wurde in unzähligen Varianten abgewandelt. Es gab sie – wie hier – auch mit mehreren Glocken, die ganz unterschiedliche Formen annehmen konnten, von der kupfernen Kuhglocke bis hin zu verchromten Narrenschellen. Teils wurde das Ticken von beweglichen Figuren begleitet, die auf dem Zifferblatt zu sehen waren.

Das vorliegende Modell punktet mit seitlich angebrachter Kerze und Streichholzhalter. Diese Ergänzungen waren ausgesprochen praktisch, denn bis zum Ersten Weltkrieg hatten nur wenige Haushalte elektrisches Licht. Wer nachts wissen wollte, wie spät es war, musste im Halbschlaf erst nach der Streichholzschachtel tasten, ein Streichholz anzünden und damit wiederum die Kerze. Bei dieser „Kerzenuhr“ blieb das nervtötende Nesteln nach Feuer auf ein Minimum beschränkt. Denn bei dieser Uhr im Blechgehäuse hatten Kerze und Streichhölzer ihren je eigenen festen Platz.

2 Kommentare zu „Eine sehr spezielle „Kerzenuhr“

  1. Der Artikel ist sehr spannend und Kerzenuhren scheinen mir wirklich schräg zu sein. Ich habe diesen Artikel mit Begeisterung gelesen. Danke für diesen tollen Blog.

    1. Wir bedanken uns unsererseits für das große Lob. Es freut uns, dass das Ergebnis unserer Arbeit bei Ihnen so gut ankommt!

      Herzliche Grüße
      Das Team des Deutschen Uhrenmuseums Furtwangen

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