Spindelkloben – kleine Fenster in die Zeitgeschichte

Taschenuhrwerk mit filigran verziertem Unruhkloben. J. F. Bürger, Blankenburg um 1800. Inv.Nr. K-0852

Die Entwicklung der Taschenuhren verlief im 18. Jahrhundert stürmisch. Gab es um 1700 noch viele Uhren mit nur einem Stundenzeiger, so war am Ende des Jahrhunderts selbst der Sekundenzeiger keine Seltenheit mehr. Das tickende Herz all dieser Taschenuhren blieb jedoch die hin- und herschwingende Unruh. Damit diese beim Öffnen des Gehäuses keinen Schaden nahm, wurde sie geschützt durch den „Unruhkloben”.

Diese Unruhkloben prägten das Aussehen des Uhrwerks. Entsprechend wurden sie filigran ausgesägt und verziert. Dies war oft Frauenarbeit. So gibt es ein Portrait von Barbara Baumann, der Gattin eines Friedberger Uhrmachers, auf dem sie mit der Säge an einem Unruhkloben arbeitet.

Porträt der Friedberger Uhrmachersgattin Barbara Baumann (1727-1798), 1768, Öl auf Leinwand, Museum im Wittelsbacher Schloss Friedberg. Foto: Andreas Brücklmair.

 

 

 

 

 

 

 

Die Verzierung der Unruhkloben folgte den zeitgenössischen Moden. Meist finden wir sogenannte „Akanthusranken”, ein seit der Antike bekanntes Ornament, das in stilisierter Form Ranken mit den Blättern der Akanthuspflanze bildet. Diese Ranken wuchern ungleichmäßig und bilden eine Art Geflecht. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts findet man dann symmetrische Motive, meist mit radialen Speichen, seltener dagegen regelmäßige Gitter.

Die Unruhkloben wurden Stück für Stück in Handarbeit gefertigt, man findet kaum zwei gleiche. Deshalb lohnt sich das genaue Hinsehen. Manchmal entdeckt man dabei Unerwartetes. So gibt es in der Sammlung des Deutschen Uhrenmuseums einige Taschenuhrwerke, bei denen die Uhrmacher ihre Initialen in die Unruhkloben einarbeiten ließen. Diese Initialen sind erst auf den zweiten Blick zu entziffern, auf den ersten sehen die Kloben ganz „normal” aus.

Eine besondere Art von Taschenuhr im 18. Jahrhundert besaß ein sogenanntes „Scheinpendel”. Die von Christiaan Huyghens erfundene Pendeluhr hatte den Uhrenbau revolutioniert. Das schwingende Pendel stand für Genauigkeit. Also baute man Taschenuhrwerke, bei denen die Unruh ein schwingendes Pendel imitierte. Dazu musste man die Unruh bis auf einen kleinen Ausschnitt verdecken. Die entstehende Fläche wurde oft genutzt, um eine allegorische Geschichte zu erzählen. So sehen wir beispielsweise den Liebesgott Cupido, wie er ein Herz in der Schmiede bearbeitet. Der Spruch dazu lautet: „Ik sal hem wat buygen” (Ich will es etwas biegen). Bei einem anderen Werk schwingt das Pendel zwischen dem Liebesgott Cupido und dem Todesgott Chronos hin und her.

Auch religiöse Botschaften finden sich auf manchen Unruhkloben. Beliebt waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts Darstellungen des gekreuzigten Heilands. Nicht weniger als acht solcher Uhren sind alleine in der Sammlung des Deutschen Uhrenmuseums vorhanden. Meist handelt es sich um preisgünstige Taschenuhren für eine ländliche Kundschaft. Diese Uhren hatten oft Werke, die zusätzlich mit farbigen, geschliffenen Glassteinen verziert waren. Der Unruhkloben mit der Kreuzigungsszene war zudem versilbert und hob sich kontrastreich vom goldfarbenen Werk ab.

Unruhkloben mit Darstellungen der Kreuzigung. Die Werke sind nicht signiert, aber alle mit farbigen Ziersteinen besetzt. (Inv. K-0658, J-0683, K-0855)

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war ganz Europa von patriotischen Bewegungen erfasst. Entsprechend finden wir Unruhkloben mit nationalen Motiven. Dabei überwiegt der Doppeladler, der sowohl für den Deutschen Bund, die österreich-ungarische Doppelmonarchie wie auch für das zaristische Russland stehen konnte. Die beiden letzteren hatten gekrönte Häupter, dagegen trug der Doppeladler des Deutschen Bundes keine Krone. Auch diese Uhren waren vorwiegend bei den einfacheren Leuten beliebt, wie die meist nicht sehr hochwertigen Werke belegen.

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