100 Jahre Achtstundentag: Wie Arbeitszeit gemessen wurde

Arbeiter-Chronometer, um 1900, Inv. 45-3521. Auf dem Rand die Forderung nach dem Achtstundentag

„Wir wollen 8 Stunden zur Arbeit, 8 Stunden um uns auszubilden, 8 Stunden um uns auszuruhen.“ Diese Forderung findet sich auf dem „Arbeiter-Chronometer“ um 1900.

Vor 100 Jahren, am 23. November 1918, war die Arbeiterbewegung am Ziel: Deutschland führte den Achtstundentag ein.

Wir fragen heute in unserem Blog: Was sagen Kontrolluhren über den Kampf um mehr Rechte für die Beschäftigten aus?

 

 

Wächterkontrolluhr, Valentin Kammerer, 1806, Inv.-Nr. 16-0477

Anwesenheitskontrolle

In den Handwerksbetrieben wurde die Arbeit nicht nach Stunden abgerechnet, sondern nach Tagen. Lehrlinge und Gesellen wohnten und arbeiteten meist im Haus des Meisters. Nur die Anwesenheit wurde kontrolliert und die Tatsache, ob auch alle mit dem nötigen Eifer bei der Sache waren.

Uhren übernahmen die Kontrolle der Anwesenheit erstmals um 1800. Sie fanden sich zunächst dort, wo Vorgesetzte nicht anwesend sein konnten, sei es in abgelegenen Amtsstuben oder bei Streifengängen der Nachtwächter. Schon 1806 stellte Valentin Kammerer im Schwarzwald Kontrolluhren her.

Harte Zeiten

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten viele Betriebe strenge Arbeitszeitbestimmungen. Am Fabriktor kontrollierten die Pförtner das pünktliche Erscheinen zur Arbeit, die häufig 12 oder 14 Stunden dauerte. Wer auch nur wenige Minuten zu spät kam, hatte mit hohem Lohnabzug zu rechnen.

Radialapparat zur Kontrolle von bis zu 200 Arbeitern, Bürk, Schwenningen, um 1910, Inv.-Nr. 2007-107

Anfang des 20. Jahrhunderts übernahmen Stempeluhren diese Aufgabe. Während die Pförtner nur das pünktliche Erscheinen kontrolliert hatten, notierten die neuartigen Aufzeichnungsgeräte Aufenthaltsdauer und Pausen jedes Einzelnen.

Die Radialapparate stempelten Abweichungen von der Norm  in anderer Farbe auf einen großen Bogen im Innern der Kontrolluhr.

 

 

Stempeluhr für Arbeitszeitkar-ten, Bürk, Schwenningen, um 1930, Inv.-Nr. 1995-336

Licht und Schatten des Achtstundentages

In den 1920er Jahren hatten viele Fabriken bereits Stempelkarten. Jeder Beschäftigte hatte seine eigene Stempelkarte mit verschiedenen Feldern für jeden Tag. Die Arbeiter steckten sie bei Arbeitsbeginn und -ende und bei den Pausen in einem Schlitz der “Kartenapparate”, wo sie mit einer Zeitangabe bedruckt wurden. Erstmals hatten auch die Beschäftigten eine verlässliche Information über ihre Anwesenheit – eine sichtbare Demokratisierung der Arbeitsverhältnisse.

Verkürzt hatte sich auch die Spanne der täglichen Arbeitszeit. Doch die Errungenschaft des Achtstundentages hatte einen entscheidenden Nachteil: Die Arbeit wurde dadurch nicht weniger.

Viele Fabrikbesitzer führten das Akkordsystem ein. Finanzielle Anreize sorgten dafür, dass die Beschäftigten mehr in kürzerer Zeit produzierten. Spezielle Arbeitszeitkontrolluhren, die Zeitstempler, dokumentierten die Produktivität jedes einzelnen. Die Löhne konnten höher oder niedriger ausfallen, je nach individueller Leistungsfähigkeit.

Zeitstempler u. a. zur Berechnung des Akkordlohns, Benzing, Schwenningen, um 1970, Inv.-Nr. 50-4103

 

Die Verkürzung der Arbeitszeit war also durchaus zwiespältig, denn der Leistungsdruck hatte sich erhöht.

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