“Fearless” – Eine Deutsche ohne “German Angst”

Taschenuhr „Fearless“ mit Figurenautomat, um 1895

Mit dem Begriff „German Angst“ wird die Zögerlichkeit oder Mutlosigkeit bezeichnet, die den Deutschen eigentümlich sei. Doch sie können auch anders: Mit der preisgünstigen Taschenuhr „Fearless“ (furchtlos) eroberten die Gebrüder Thiel aus dem thüringischen Ruhla um 1900 die internationalen Märkte.

1859: Christian Thiel gewinnt 10.000 Taler in einer Lotterie. Zum Vergleich: Ein Handwerker verdiente damals etwa zehn Taler im Monat! Christian Thiel gründete darauf mit seinem Bruder ein Unternehmen in Ruhla, einem kleinen Ort in der Nähe von Eisenach. Die Thiels fabrizierten Uhrenketten, Übergehäuse für Taschenuhren, so genannte „Bieruhren“ und „kurzzeitig gehende“ Kinderuhren in großen Mengen.

„Thiel´s Watch – Germany Fearless“ (Thiels Uhren – Deutschland furchtlos)

Aus einem Zeitungsartikel vom Juli 1892: „In der hiesigen Metallwarenfabrik von Gebr. Thiel werden jetzt Kindertaschenuhren gefertigt, welche 10-12 Stunden Gangzeit haben und im Einzelverkauf auf ca. 5 Mk. zu stehen kommen.“ Christians Enkel, Reinhold Thiel schrieb rückblickend: „Die Uhr war als Spielzeug gedacht und dafür zu teuer, sie war aber auch viel besser als ein billiges Spielzeug. Sie war ein zwar häßlicher und unförmiger, aber brauchbarer und außerdem unerhört billiger Zeitmesser, eine Taschenuhr zu einem noch nicht dagewesenen billigen Preis.“ Die Uhr bekam den Namen „Fearless“ (furchtlos), da sie vor allem für den britischen Markt gebaut wurde.

Patentzeichnung zur „Fearless“ von 1892.

Die Konstruktion basiert auf dem Deutschen Reichspatent 68551 von 1892. Dort heißt es: „Eine neue Einrichtung an Taschenuhren, bei der die hintere Platine eigenartig construiert ist, so dass die ganze Anordnung der Uhr hierdurch ein besonderes Gepräge erhält.“ Und in der Tat gleicht das Werk der „Fearless“ in keiner Art und Weise dem einer herkömmlichen Taschenuhr. Kein Wunder, dass die Uhrmacher dagegen Sturm liefen. Sie bezeichneten die „Fearless“ als Schund und wollten die Uhr weder verkaufen noch reparieren.

Das Werk der „Fearless“ – gestanzt und gebogen wie billige Blechspielzeuge.

Thiel ging gegen die abschätzigen Berichte der Fachpresse in die Offensive und verklagte 1894 einen Journalisten, der die „Fearless“ als „größten Schwindel“ bezeichnet und behauptet hatte, dass diese „nicht als Uhren, d. h. als wirkliche Zeitmesser, bezeichnet werden können“ was „jeder Sachverständige bestätigen“ werde. Ein Experte stellte denn auch fest, „dass die ihm vorgelegte Uhr solche technischen Mängel zeige, dass dieselbe nicht als eine technisch richtig hergestellte Uhr bezeichnet werden könne.“ Doch der Richter ließ sich nicht beirren. Er legte klar, „es komme nicht alleine darauf an, dass das Werk richtig konstruirt sei und eine Dauerhaftigkeit besitze, sondern dass die Zeiger innerhalb der vorgeschriebenen Zeit vorrücken, so dass man die Zeit ablesen könne.“

Die Fabrikgebäude in Ruhla um 1905.

Die Uhrenherstellung bei Thiel entwickelte sich äußerst erfolgreich: 1893 wurden 175.000 Uhren im Wert von fast 400.000 Mark verkauft, 1900 schon 450.000 Uhren, 1913 dann 864.000 Uhren für über 1,7 Millionen Mark. Und noch 1912 war neben vielen anderen Modellen auch die „Fearless“ im Angebot.

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